Damit die Liebe in Schwung kommt, braucht es nun einmal Projektionsflächen.

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Es war ein netter Abend, die Gespräche angeregt. Um meine Freundin Edith bemühte sich ein Tischherr, frisch geschieden und in hippen Lackschuhen. Doch es half alles nichts. "Ich verzehre mich eben nur nach meinem Jäger", flüsterte sie mir bei der Verabschiedung entschuldigend zu.

Vor einem Jahr nahm Edith an einer Wildverkostung teil. Dort begeisterte sie nicht nur der Hirschbraten, sondern auch dessen Lieferant: Seitdem befindet sie sich in einem On-off-Modus mit Harry, einem äußerst unzuverlässigen Waidmann in Lodenparka und Schlammstiefeln.

Unzuverlässig deshalb, weil selten klar ist, wann Brunftzeit in seinem Wald ist und wann in seinem Schlafzimmer. Harry ist kein Mann der großen Worte. Auf SMS-Nachrichten antwortet er entweder gar nicht oder erst Tage später, mit einem dünnen Ja oder Nein. "Wenn wir uns dann endlich wiedersehen", betont sie, "dann ist es dafür das reinste Paradies."

Zurück zum Ursprung

Bei sich zu Hause hantiert Edith gerne mit Sauerstoffbleiche und Desinfektionsspray. Jetzt findet sie ihr Glück in einem Forsthaus, zwischen aufgetauten Schöpfgerichten und modriger Karobettwäsche.

Dazu meine Theorie: Der Berufsjäger ist der "Trophy Man" der Stunde. Damit die Liebe in Schwung kommt, braucht es nun einmal Projektionsflächen. Ein Mann mit dem Blick eines Falken. Einer, der seine Mahlzeit über der Schulter mitbringt. Wer träumt nicht davon, dass so einer Witterung aufnimmt? Wer möchte sich nicht von so einem wie Wildbret zerlegen lassen?

Nach den Bankern der Achtziger- und den Medientypen der Neunzigerjahre flüchteten Trendsetter um die Jahrtausendwende von den Fakten zum Gefühl: Der sensible Künstler, pendelnd zwischen Größenwahn und Selbstvernichtung, galt seither als angesagtester Spielgefährte.

Und jetzt?

Jetzt stehen wir ratlos vor der Klimakrise. Das Internet hat unsere Fantasie zerstört. Da kann der Job als moderne Rittergestalt nur nützlich sein: aufsuchen, nachstellen, fangen, erlegen und aneignen. Wer so archaische Vorgänge beherrscht, dem traut man auch das Überleben zwischen abtauenden Gletschern und brennenden Regenwäldern zu.

Dieser Kavalier vergisst einen manchmal – nicht weil er auf zu vielen Partys tanzt, sondern weil er stundenlang an der frischen Luft meditiert, bis der Hirsch um die Ecke kommt. Vielleicht nicht die dümmste Idee, sich auf so ein Steinzeitmodell zu stürzen. (Ela Angerer, RONDO, 18.10.2019)