Maximilian Gössl führt das bekannte Trachtenunternehmen seiner Salzburger Familie. Er beschäftigt an die 100 Mitarbeiter, die pro Jahr über 100.000 Trachtenmodelle im Premiumsegment verkaufen. Mit dem STANDARD trifft er sich in einem Wiener Traditionscafé und redet über Werte und die Mitte der Gesellschaft. Dass der gut gelaunte Doppelmagister auch zu diesem Termin eine "Lederne" trägt, diesmal eine auffällige mit Bachforellenmuster, versteht sich von selbst.

STANDARD: Herr Gössl, Sie führen das Familienunternehmen in dritter Generation, sind also wahrscheinlich in der Ledernen aufgewachsen?

Maximilian Gössl: Bis auf dem Spielplatz die neue Rutsche eingeweiht wurde und ich als Einziger mit der Ledernen darauf picken geblieben bin. Dann habe ich erst zur Matura wieder eine bekommen.

STANDARD: Wie viele Lederhosen besitzen Sie heute?

Gössl: Nicht so viele. Lederhosen drei, Hanfhosen habe ich mehrere. Aber da so eine Lederhose eigentlich unzerstörbar ist und ewig hält, brauche ich nicht mehr.

Der Unternehmer Maximilian Gössl bezeichnet sich als Kosmopolit in Tracht.
Foto: Foto Gössl

STANDARD: Muss man sie eintragen?

Gössl: Schon. Beim erstmaligen Anprobieren soll sie überhaupt sehr eng sein, man soll kaum Luft bekommen. Durch das Tragen passt sie sich schon nach kurzem an, sobald sie die Körperwärme annimmt, dann merkt man sofort: Aha, jetzt wird das was. Man muss sie sich halt ein bisserl erarbeiten, und dann bürstelt man alles raus, was im Laufe eines Lebens so drauffällt.

STANDARD: Heute tragen Sie ein sehr interessantes Modell.

Gössl: Das ist eine Bachforellenlederhose ...

STANDARD: Aus Bachforellenleder?

Gössl: Nein, selbstverständlich aus Hirschleder in Bachforellenoptik. Wir mischen immer wieder Traditionelles mit Neuem und haben dabei den Anspruch, dass unsere Modelle Geschichten erzählen.

STANDARD: Was erzählt die Bachforelle?

Gössl: Sie ist mit ihren roten Punkten so eindeutig erkennbar und etwas ganz Spezielles. Diese Schönheit wurde allerdings bisher in der Mode noch nicht aufgegriffen, was wir nun als Erste getan haben.

STANDARD: Was denkt sich ein Japaner zum Beispiel, wenn er so etwas sieht?

Gössl: (Lacht.) Der fragt sich wahrscheinlich, ob bei uns die Forellen wirklich so groß sind.

STANDARD: Und dann will er sie natürlich haben?

Gössl: Genau.

STANDARD: Kann man sich mit solchen Spielereien als Unternehmer auch verrennen?

Gössl: Es ist natürlich immer ein Spiel. Die Traditionalisten sagen dann strikt, das ist ein Blödsinn, geschmacklos. Viel mehr sagen aber: Klass, das find' ich witzig. Wenn ich diese Hose ernst nehme, dann habe ich verloren. Trotzdem muss man auch die Tracht weiterdenken, und da gehört Provokation eben dazu.

STANDARD: Verkaufen Sie solch Abseitiges im Hinterzimmer, wo man von den Traditionalisten nicht gesehen wird?

Gössl: So groß sind unsere Geschäfte nicht, dass wir im Hinterzimmer verkaufen könnten. Und dafür gehen diese Modelle auch zu gut.

Foto: Lukas Friesenbichler; Set-Design: Magda Rawicka

STANDARD: Es gibt so einen kleinen Trachtenboom im Land. Seit wann bekommen Sie als Unternehmer diesen Trend mit?

Gössl: Der hält schon sehr lange an und geht einher mit einem Trend zu einem gewissen Qualitäts- und Regionalitätsverständnis in einer unübersichtlichen, globalisierten Welt. Man besinnt sich auf Werte, Tracht steht auch für Sicherheit.

STANDARD: Man grenzt sich aber auch ab?

Gössl: Natürlich. Ich kann mich mit Jeans und Ralph-Lauren-Shirt irgendwo hinstellen, dann trage ich die amerikanische Tracht. Oder ich trage die einheimische Tracht. Insofern ist Kleidung immer eine Botschaft und eine Abgrenzung.

STANDARD: Sind Sie Jäger?

Gössl: Nein, aber wir greifen sehr viel auf schmückende Elemente aus der Jagd zurück. Da geht es um Details wie eine Schlaufe mit Knopf an der Schulter, wo man das Gewehr einhängen kann. Dann gibt es natürlich Elemente in der Stickerei, wo mit Gams oder Hirsch gespielt wird, die immer wieder aufgegriffen werden.

STANDARD: Ist die Tracht mit der Badehose in Lederhosenoptik in der Mitte der Gesellschaft angekommen?

Gössl: Wir sind als Trachtenunternehmen längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen, aber nicht wegen dieser Badehose, die ja auch nichts anderes als ein Gag ist. In Wahrheit waren wir nie woanders als in der Mitte der Gesellschaft, weil ein Österreicher, auch wenn er nicht so trachtenaffin ist, irgendwann und irgendwo immer eine Tracht braucht. Außerdem ist es eine Kleidung, die schmeichelt. Tracht ist apolitisch, sie wird nur oft politisch vereinnahmt.

STANDARD: Es ist schon fast ein bisserl lächerlich, wie alle Politiker sich plötzlich krampfhaft in eine Tracht zwängen.

Gössl: Es ist aber genauso lächerlich, krampfhaft keine Tracht anzuziehen.

STANDARD: Sie bedienen das Premiumsegment bis hinauf zu Königshäusern?

Gössl: Wenn der spanische König in der Steiermark zur Jagd ging, dann haben wir in Graz unser Geschäft für ihn aufgesperrt, und er hat mit der Entourage eingekauft und ist mit schönen Sachen heimgefahren. Aber Service ist uns für alle Kunden sehr wichtig, den genießt man ja heute im Einzelhandel nicht mehr so oft.

STANDARD: Ab wie vielen Tausend Euro bin auch ich mit dabei?

Gössl: Unsere Lederhosen beginnen bei circa 1.000 Euro und gehen hinauf bis circa 2.500 Euro. Wenn uns etwas Spezielles einfällt, dann kann es auch mehr werden, da geht's um Verarbeitung, um Details. Beim Auto gibt es ja auch keine Grenze nach oben.

STANDARD: Schneidern Sie nach Maß?

Foto: Lukas Friesenbichler; Set-Design: Magda Rawicka

Gössl: Wir machen keine Maßschneiderei, aber nur ein Bruchteil der Kunden kommt mit unseren sehr gut geschneiderten Hosen nicht gleich zurecht. Da wird dann halt etwas geändert.

STANDARD: Ist die beliebteste Lederhose immer noch die steinharte mit Trägern, in die wir als Buben gesteckt wurden?

Gössl: (Lacht.) Na ja, die nicht so. Die gängigste ist die, die über dem Knie aufhört. Dazu ein Gürtel, der was hermacht. Der darf nicht zu g'sparig (sparsam, knapp; hier: schmal, Anm.) sein, das schaut nichts gleich.

STANDARD: Dazu Stutzen?

Gössl: Auf die sind wir besonders stolz. Wir arbeiten mit verschiedenen Stutzenmodln, wie die heißen. Da wird im Strick sehr viel mit ineinander verwobenen Symbolen gearbeitet. Im ländlich-bäuerlichen Bereich hat die Tracht ja sehr viel mit Wachstum und Gedeihen zu tun, aber auch mit der Verwobenheit von Mann und Frau.

STANDARD: Ein Jopperl dazu ist Pflicht?

Gössl: Jopperl, Strickjackerl oder wie ich heute ein Gilet – das ist Geschmackssache. Ich kann alles auf einmal anziehen oder nur ein Stück, je nachdem, wie ich mich fühle. Hängt ja auch von der Temperatur ab.

STANDARD: Das Hemd?

Gössl: Mit einem weißen Hemd macht man nicht viel falsch. Aber es gibt auch sehr schöne Farben. Das karierte Hemd ist vielleicht etwas abgedroschen, das zieht eher der Einsteiger an.

STANDARD: Sie selbst leben klassisch-traditionell mit sonntäglichem Kirchgang in der Tracht?

Gössl: (Lacht.) Na, ganz so ist es nicht. Ich bin ja ein sehr kosmopolitischer Mensch, habe in den USA gelebt, in Deutschland, habe jetzt Familie in Spanien, spreche mehrere Sprachen. Aber das alles beißt sich für mich nicht mit der Tracht, im Gegenteil: Wenn ich in Andalusien bei der Familie meiner Frau bin, dann gehe ich genauso mit meiner Hanfhosn und meinem Leinenpfoadl am Strand spazieren oder trage sie zum Kitesurfen und bin damit nicht nur besser angezogen als die meisten, sondern auch passender.

STANDARD: Ihrer Frau haben Sie so auch gefallen?

Gössl: Sicher.

STANDARD: Sie muss aber jetzt nicht jeden Tag Dirndl tragen?

Gössl: Natürlich nicht. Sie ist stolze Spanierin und trägt, was sie will. Aber ich muss sagen: Im Dirndl schaut sie schon am besten aus ... (Manfred Rebhandl, RONDO, 2020)