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Ab 1. November hat es sich in Österreichs Gastronomie ausgeraucht. Bei Halloween-Partys am 31. Oktober muss die zweite Nachthälfte damit in Lokalen bereits rauchfrei bestritten werden.

Foto: Getty Images/Karl Tapales

Das Interieur in der Kaktusbar im Wiener Bermudadreieck folgt einem simplen Konzept: viel Dunkles, viel Rot, ein bisschen Disco. Im Hintergrund läuft Rhythm Is a Dancer, das Licht wird von sechs Discokugeln durch den Raum gesprenkelt. So ganz kommt das Partygefühl an diesem Abend noch nicht auf, sind doch erst zwei Tische im Raucherbereich besetzt. Der Nichtraucherbereich ist leer. Am Tisch in der Ecke bestellt eine Runde junger Männer einen doppelten Wodka, der Kellner tauscht hin und wieder den Aschenbecher aus. Ein geübter Handgriff, den er bald nicht mehr brauchen wird.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) sprach am Mittwoch ein Machtwort. Oder auch nicht: Er entschied, den Antrag der Nachtgastronomen, sie vom absoluten Rauchverbot in der Gastronomie auszunehmen, nicht einmal zu diskutieren. Es dürfte der Abschluss einer schier unendlichen Diskussion sein, die darin gipfelte, dass 881.692 Personen das Nichtraucher-Volksbegehren unterschrieben. Sie stellten sich dagegen, dass ÖVP und FPÖ im Jahr 2017 das schon beschlossene Rauchverbot doch wieder aufweichten. Nun aber ist vorerst der Weg frei für rauchfreie Lokale.

"Unnötig" sei dieses Rauchverbot, das am 1. November in Kraft tritt. Das sagt einer der Burschen in der Kaktusbar. Diego ist Raucher. "Am Tag nach dem Fortgehen nervt der Rauch in meinen Klamotten", sagt sein Kollege Robert, Nichtraucher. "Da wird sogar die Waschmaschine nikotinabhängig", sagt Dominik, Raucher, den es jedoch nicht kümmert, wo er raucht.

Angst vor lauten Rauchern

Der Betreiber der Kaktusbar, Franz Aibler, ist einer jener Nachtgastronomen, die den Individualantrag an den VfGH stellten. Erfolglos, weil dieser der Ansicht ist, dass der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht überschritten wurde und das absolute Rauchverbot nicht unverhältnismäßig in die rechtlich geschützten Interessen der Antragsteller eingreift.

Die Sorge von Aibler und seinen Co-Antragstellern: dass die Leute beim Rauchen im Freien zu laut sind und die Anrainer gestört werden, "und dass uns deswegen die Sperrstunde verkürzt wird". Der VfGH begründete seine Ablehnung unter anderem damit, dass es dem Gesetzgeber freistehe, als Folge des Rauchverbots allfällige Beeinträchtigungen von Nachbarn in Kauf zu nehmen.

Geht es nach Kaktus-Betreiber Aibler, dann ist Nichtraucherprävention Aufgabe der Politik, nicht der Wirte. Außerdem stehe es jedem Gast frei, ein Lokal, in dem geraucht wird, nicht zu betreten.

Hunderte weniger im Krankenhaus

Unabhängig davon, wer dafür verantwortlich ist, das Nichtrauchen zu fördern, ist der Nutzen davon enorm: Ein Team des Instituts für Höhere Studien (IHS) hat 2018 den volkswirtschaftlichen Schaden durch das Rauchen auf rund 2,4 Milliarden Euro jährlich beziffert. Allein das Gastro-Rauchverbot würde schon innerhalb einer Woche 623 Spitalsaufenthalte weniger bedeuten.

Beim Kreditschutzverband von 1870 rechnet man andererseits aber auch mit mehr Insolvenzfällen bei Gastronomen. Im Vorjahr wurde bei 406 Gastrobetrieben ein Insolvenzverfahren eröffnet. "Heuer rechnen wir mit 450 Fällen, also einem Anstieg von zehn Prozent", sagt Alexander Klikovits. 2020, "wenn das Raucherthema voll durchschlägt", wird eine weitere Steigerung an Insolvenzen von Lokalbetreibern um zehn Prozent prognostiziert.

Viele Wirte würden das neue Rauchergesetz aber auch als Feigenblatt dafür verwenden, um ihre Insolvenz zu erklären, meint Klikovits. Dem stimmt Creditreform-Geschäftsführer Gerhard Weinhofer zu. "Dass wir wegen des Rauchverbots vor einem Wirtesterben stehen, halte ich für übertrieben."

DER STANDARD fragte im Juli bei Gästen und Betreibern von Shisha-Cafés nach, was das Rauchverbot für sie bedeuten würde
DER STANDARD

Kein Dampfen ab November

Wirklich problematisch wird die Raucherregelung für Shisha-Bars. "Ohne Wasserpfeifen können wir unsere Lokale zusperren", sagt Jakob Baran, der auch Obmann des Shishaverbands (VSBÖ) ist. Immerhin hänge das Geschäftsmodell vom Dampfen ab.

Die Shisha-Bars kämpfen noch um eine Ausnahmeregelung: Der VfGH bestätigte, dass am Dienstag ein Antrag des VSBÖ via Kanzlei Lansky, Ganzger und Partner einging. Baran bestätigte zudem dem STANDARD, dass eine zweite Beschwerde am kommenden Mittwoch von der Kanzlei Wolf Theiss eingebracht wird. Baran rechnet aber damit, dass die Beschwerde, sofern sie zugelassen wird, nicht vor März 2020 verhandelt wird. "Wir gehen davon aus, dass ab November in den Shisha-Bars nicht mehr gedampft werden darf."

Kaktus-Betreiber Aibler nimmt den VfGH-Entscheid zur Kenntnis, hofft aber auf Nachbesserungen seitens der Politik. Kommen die nicht, dann wird er in der Kaktusbar in der Nacht auf 1. November das Rauchverbot durchsetzen – in einer der stärksten Nächte, wie er sagt. Schon vorher wird er die grünen Sticker mit der Zigarette drauf von den Bänken kratzen lassen und seine Gäste informieren, dass sie bald draußen zu rauchen haben. Und um Punkt Mitternacht wird er die Aschenbecher wegräumen, die jetzt noch auf roten Servietten auf den klebrigen Stehtischen stehen. (David Krutzler, Gabriele Scherndl, 16.10.2019)