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Nach dem Rücktritt des bulgarischen Verbands-Präsidenten Borisslaw Michailow wurde die Verbandszentrale in Bojana bei Sofia von Spezialkräften zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität abgeriegelt und durchsucht.

Foto: AP/ Valentina Petrova

Tall Abyad/Akcakale/Sofia – Hitlergrüße in Sofia, Militärsalut in Paris: Rassistische Eklats durch bulgarische Fans beim 0:6 gegen England und die erneute politische Provokation türkischer Teamspieler beim 1:1 gegen Frankreich haben am Montag die Spiele der EM-Qualifikation überschattet und für Fassungslosigkeit gesorgt.

Den wiederholt auffällig gewordenen Bulgaren droht eine heftige Strafe. "Die Uefa setzt sich dafür ein, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um diese Krankheit im Fußball zu bekämpfen", sagte Uefa-Präsident Aleksander Ceferin am Dienstag und bat auch die Politik um Hilfe, "um Krieg gegen die Rassisten zu führen".

Verfahren eingeleitet

Und auch die Türken, deren provokante Gesten mit der umstrittenen Militäroffensive gegen die Kurden in Verbindung gebracht werden, sehen einem Verfahren des Kontinentalverbandes entgegen. Die Uefa hatte schon vor dem Spiel in Frankreich angedeutet, ein Verfahren gegen den türkischen Verband einzuleiten. Das Regelwerk des europäischen Verbandes verbietet politische Äußerungen in Stadien. Die zuständige Kontroll-, Ethik- und Disziplinarkammer tagt am Donnerstag. Ob dann schon Sanktionen verhängt werden, ist fraglich. Möglich sind Geldstrafen, Platzsperren oder sogar Punkteabzüge.

Kritikern geht das nicht weit genug. Der italienische Sportminister Vincenzo Spadafora will die Türkei und deren Präsidenten Tayyip Erdogan für die heftig kritisierte Militäroffensive in Nordsyrien auch sportpolitisch bestrafen und Istanbul das nächste Champions-League-Finale im Mai 2020 entziehen. Das schrieb er in einem Brief an Ceferin und meinte, dass man dadurch zeigen könne, dass der Sport ein Instrument des Friedens sei.

Türkischer Sportminister mahnt zur Besonnenheit

Mittlerweile meldete sich auch der türkische Sportminister Mehmet Kasapoglu zu Wort. "Diejenigen, die den Misserfolg auf dem Platz auf andere Weise überschatten wollen, sollten davon absehen. Die Ergebnisse liegen auf der Hand. Wir führen", sagte Kasapoglu nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Dienstag. Die Türkei liegt in der Tabelle der Gruppe H vor den punktegleichen Franzosen voran. Zudem rief der Minister die Uefa im Zusammenhang mit möglichen Strafen zur "Besonnenheit" auf.

Auch die Geschehnisse in Sofia sorgten für Aufsehen. Schon in der ersten Hälfte zeigten bulgarische Zuschauer auf den Tribünen den Hitler-Gruß und brüllten Affenlaute in Richtung der Spieler, sodass der Schiedsrichter die Begegnung zweimal unterbrach. Greg Clarke, der Vorsitzender des englischen Verbandes (FA), nannte das Geschehen "eine der schrecklichsten Nächte, die ich je im Fußball gesehen habe". Die FA forderte die Uefa zu einem Verfahren auf, was auch prompt geschah: Noch am Dienstagabend gab die europäische Fußball-Union bekannt, der bulgarische Verband werde angeklagt.

Ceferin fordert Regierungen zum Handeln auf

Uefa-Boss Ceferin sagte laut einer Mitteilung: "Es gab Zeiten, vor nicht allzu langer Zeit, in denen die Fußballfamilie dachte, dass die Plage des Rassismus eine ferne Erinnerung sei. Die letzten Jahre haben uns gelehrt, dass ein solches Denken bestenfalls selbstgefällig war." Er ergänzte: "Fußballverbände allein können dieses Problem nicht lösen. Auch Regierungen müssen in diesem Bereich mehr tun."

Die Beleidigungen waren "ziemlich klar auf dem Platz zu hören, aber wir zeigten eine großartige Reaktion und ein großes Miteinander, und letztendlich haben wir den Fußball sprechen lassen", sagte Tyrone Mings. Ziel der Attacken war vor allem Teamkollege Raheem Sterling.

Die Engländer hatten vor dem Spiel angekündigt, dass sie das Feld bei rassistischen Beleidigungen verlassen würden. Sie machten das nicht und wurden von Trainer Gareth Southgate in Schutz genommen. "Es war für uns unmöglich, alle zufriedenzustellen", sagte er. "Leider sind wir durch Erfahrungen in unserem Land abgehärtet gegen Rassismus."

Infantino für lebenslange Stadionverbote

Auch die Fifa hat sich inzwischen eingeschaltet. Der Weltverband gehe davon aus, so früh wie möglich über die relevanten Entscheidungen der Uefa in diesem speziellen Fall informiert zu werden. "Das würde auch die Ausweitung von Sanktionen weltweit ermöglichen", hieß es in einer Stellungnahme am Dienstagabend.

"Wir sagen so oft, dass es im Fußball keinen Platz gibt für Rassismus, aber dennoch sehen wir uns diesem Problem noch immer ausgesetzt in unserem Sport so wie auch in der Gesellschaft", sagte Fifa-Präsident Gianni Infantino. Er sprach von einer "abscheulichen Krankheit", die in manchen Teilen der Welt nur noch schlimmer werde.

Infantino rief die Fußballverbände auf, neue, stärkere und effektivere Wege zu finden, um den Rassismus im Fußball auszulöschen. Er schlug vor, diejenigen lebenslang aus den Stadien zu verbannen, die wegen rassistischen Verhaltens bei einem Fußballspiel für schuldig befunden würden.

Rücktritt und Hausdurchsuchung

Wiederholungstäter Bulgarien drohen drakonische Strafen. Verbandschef Borisslaw Michailow trat am Dienstag auf Druck von außen zurück. "Es ist unzulässig, dass Bulgarien, das einer der tolerantesten Staaten der Welt ist, wo Menschen unterschiedlicher Ethnien und Religionen in Frieden leben, mit Rassismus und Fremdenhass verbunden wird", schrieb Regierungschef Bojko Borissow auf Facebook. Er hatte Michailows Rücktritt gefordert. Zudem wurde der Sitz des Verbands in Bojana bei Sofia von Spezialkräften zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität durchsucht.

Die bulgarischen Behörden waren auch andernorts bereits aktiv. Laut Mitteilung des Innenministeriums vom Mittwochvormittag befinden sich bereits vier bulgarische Anhänger, die englische Spieler rassistisch beleidigt haben sollen, in Haft. Es wurden aber noch weitere Festnahmen im Lauf des Tages erwartet.

Entschuldigung von Balakow

Mit Verspätung hat sich Bulgariens Teamchef Krassimir Balakow für die Vorfälle im EM-Qualifikationsspiel entschuldigt. "Ich verurteile Rassismus und lehne ihn ausdrücklich als ein Verhalten ab, das dem modernen menschlichen Zusammenleben widerspricht", schrieb der Coach in einer Mail an Journalisten am Dienstagabend. "Angesichts dieser Beleidigungen entschuldige ich mich als Nationaltrainer bei den englischen Spielern und allen, die sich verletzt fühlen." Unmittelbar nach der Partie hatte Balakow noch gemeint, "absolut nichts" von rassistischen Schmährufen gehört zu haben. (APA, dpa, 16.10.2019)