Auf Plakaten in der Region wird die Umfahrung Soprons bereits angekündigt. Ebenfalls darauf zu lesen: "Magyarország jobban teljesít". Ungarn macht es besser.

Foto: Weisgram

Die geplante Umfahrung Sopron.

Grafik: DER STANDARD

An manchen Tagen geht gar nichts mehr. Dann staut es sich in aller Früh vom Grenzübergang Klingenbach zurück bis hinter Kópháza, sodass manche sich wohl fragen, ob es nicht gescheiter wäre, gleich über Deutschkreutz zu fahren. Aber dort geht es auf der S31 erst recht wieder durch eine Baustellenlandschaft. Die Burgenland-Schnellstraße wird verbreitert und bekommt eine Betonleitwand. Hier ist es also auch so unberechenbar, wie es die österreichischen Grenzer sind, die an manchen Tagen besonders fleißig werden.

Und dann geht eben gar nichts mehr. Sopron steht dann. Oder ruckelt Richtung Grenze. Die Handys glühen. Jeder warnt jeden. Man schätzt die Wartezeiten, gleicht die Warnung mit eigenen Erfahrungen ab. Soproni Határátkelő Információ heißt die Facebook-Gruppe.

Sopron und sein Land gleicht in Form und Funktion dem Berchtesgadener Land. Tief schiebt sich das "ungarische Eck" ins Burgenländische. Aber anders als das deutsche Eck ist das ungarische nicht bloß ein Verkehrshindernis. Es ist die Quelle des Verkehrs.

Pulsierende Metropole

Sopron, das als Ödenburg dem jungen Burgenland eigentlich als Hauptstadt hätte dienen sollen, ist zu einer weit ins Österreichische hineinpulsierenden Metropole geworden. Der Grenzübergang nach Klingenbach zählte vor 20 Jahren knapp 10.000 Autos pro Tag. 2018 waren es 20.000. Aber 2018 wurde noch nicht gebaut wie wild.

Offiziell knapp 65.000 Einwohner, schätzt man die tatsächliche Einwohnerzahl auf deutlich mehr als 100.000. Von hier aus lässt es sich nicht nur am leichtesten nach Österreich pendeln. Irgendwer muss ja auch die Arbeit tun, welche die Pendler nicht machen.

Und Arbeit gibt es im Moment genug. Denn nun baut Ungarn seiner "civitas fidelissima" – nachdem die Volksabstimmung im Dezember 1921 für Ungarn ausgegangen war, verlieh Budapest Sopron den Ehrennamen "treueste Stadt" – eine neue Verkehrsinfrastruktur. Die M85, die Schnellstraße nach Győr, hält bereits bei Kópháza. Hier wird sie dann zu einer Umfahrung der Stadt. Bis Dezember 2020 wird das Teilstück bis Fertőrákos fertig sein. Eifrigst wird dort schon am Unterbau gearbeitet.

Das letzte Baulos bis zur Grenze wurde im April vergeben. Um umgerechnet 133 Millionen Euro werden bis 2024 die letzten vier Kilometer errichtet. Von der Abfahrt Fertőrákos geht es durch einen nicht ganz 800 Meter langen Tunnel unterm Bécsi domb, dem Wiener Hügel, bis zur Grenze bei Klingenbach.

Ausweichroute gesperrt

Dort wird diese Umfahrung von Sopron mit einer neuen Straße ins Soproner Westend verlängert, wo sie auf die Straße ins Grenzdorf Ágfalva trifft. Die wird auch gerade hergerichtet. Dort staut es sich also auch bis in die Stadt hinein. Der kleine Grenzübergang, der in den Stoßzeiten in der Früh und am Abend ohnehin gesperrt ist, lässt sich also auch nur unter Staugefahr nutzen. Und die sonst sehr frequentierte Ausweichroute über Sopronkőhida nach St. Margarethen ist bis mindestens in den November hinein noch baubedingt gesperrt.

Das Burgenland ist vom Bauboom klarerweise betroffen. Die Mittelburgenländer – für viele von ihnen verkürzt sich über Ungarn die Wegstrecke nach Eisenstadt um die Hälfte, die Wegzeit aber verdoppelt sich nun nicht selten – leiden darunter ebenso wie die ungarischen Pendler.

Andreas Hackl, der Eisenstädter Standortleiter des Lebensmittelgroßhändlers Kastner, erzählt, dass vor allem die Montage für seine ungarischen Mitarbeiter echte Herausforderungen sind. "Ein auffälliges Zuspätkommen habe ich allerdings nicht bemerkt. Die Leute sind gut vernetzt und haben sich darauf eingestellt. Am Montag brauchen sie aber dann statt normal 30 Minuten oft anderthalb bis zwei Stunden."

Grenzkontrollen verlängert

Wenn Kinder in die Schule zu bringen seien, meint Zita, eine Kellnerin in Eisenstadt aus leidvoller Erfahrung, dann werde es noch schlimmer. Und verschärft werde die Situation sowieso durch die österreichischen Grenzkontrollen, die wieder bis Mai 2020 verlängert wurden. Auf eine Spur wird die Straße verengt, in einer scharfen Schikane vorbeigeführt an den meist ohnehin nur gelangweilten Grenzern. Manchmal gibt es Schwerpunktkontrollen. Manchmal stehen Scharfe dort. Das macht dann gleich die Runde auf Soproni Határátkelo Információ. Man kennt einander ja.

Die Betriebsamkeit im ungarischen Eck kommt den Burgenländern sehr ungelegen. Ja, sie stört. Denn sie drängt darauf, sich zu entscheiden, ob die M85 von der Grenze bis zur A3 bei Eisenstadt verlängert wird. Das wären nicht ganz zehn Kilometer.

Gemeinden entscheiden mit

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) hat sich festgelegt: nicht ohne ausdrückliche Zustimmung der Anrainergemeinden. FP-Wirtschaftslandesrat Alexander Petschnig drängt auf den Lückenschluss. Die Mittelburgenländer parteiübergreifend auch.

Vorderhand hat man einmal ein Fahrverbot für Transit-Lkws über 7,5 Tonnen erlassen. Und hat den nicht unter Denkmalschutz stehenden Teil der Siegendorfer Zuckerfabrik – die Engststelle einer möglichen A3-Verlängerung – teilweise abgerissen.

Auf ungarischer Seite rufen Plakate den Staugeplagten zu: "Magyarország jobban teljesít". Ungarn macht es besser. (Wolfgang Weisgram, 17.10.2019)