Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, und der Fraktionsvorsitzende der Demokraten, Steny Hoyer, kommen aus dem Weißen Haus.

Foto: Alex Brandon

Washington / Ankara / Tell Abyad – Der heftige Streit in Washington um die Syrien-Politik hat zu einem Eklat bei einem Treffen zwischen Präsident Donald Trump und den Oppositionschefs geführt. Die Spitzenvertreter der Demokraten brachen am Mittwoch das Gespräch abrupt ab und verließen das Weiße Haus, nachdem Trump die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, persönlich attackiert hatte.

Trump habe eine "üble Tirade" losgelassen und Pelosi als "drittklassige Politikerin" beschimpft, sagte der Anführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer. Pelosi selbst sprach von einem "Ausraster" des Präsidenten, im Original sagte sie: "What we witnessed on the part of the president was a meltdown. Sad to say." Man müsse für seine Gesundheit beten. Andere Parlamentarier sowohl von Demokraten als auch Trumps Republikanern blieben laut Schumer jedoch in der Sitzung mit dem Präsidenten.

Trump selbst reagierte – nicht ganz unüblich für seinen Kommunikationsstil – mit gleich mehreren Tweets, in denen er seinerseits Pelosi einen "Meltdown" zuschrieb und für sie beten lassen wollte.

Pelosi reagierte damit, dass sie dieses Foto in der Zwischenzeit als Header auf ihrem eigenen Twitter-Account verwendet. Trump legte noch weiter nach – ohne dafür von Pelosi gewürdigt zu werden.

Der Eklat zeigt, wie dramatisch sich das Verhältnis zwischen dem Präsidenten und der Opposition zuletzt weiter verschlechtert hat. Hintergrund ist die von den Demokraten im Repräsentantenhaus geführte Untersuchung zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren gegen Trump. Darin geht es um die Versuche Trumps, sich aus der Ukraine möglicherweise kompromittierendes Material über Ex-Vizepräsident Joe Biden zu beschaffen, der Trumps Herausforderer bei der Wahl im November 2020 werden könnte.

Der Präsident steht zudem wegen des parteiübergreifenden Widerstands gegen den US-Truppenabzug aus Nordsyrien unter massivem Druck. Trump hatte mit der Entscheidung den Weg für die türkische Großoffensive gegen die kurdischen Kämpfer freigemacht, die zusammen mit den US-Truppen gegen die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) gekämpft hatten.

Resolution gegen US-Truppenabzug

Kurz vor dem Treffen im Weißen Haus hatte das Repräsentantenhaus in einer parteiübergreifenden Resolution den US-Truppenabzug als Fehler gegeißelt. Die Kongresskammer lehne die Entscheidung ab, "bestimmte Anstrengungen der Vereinigten Staaten zu beenden, türkische Militäroperationen gegen syrisch-kurdische Kräfte in Nordostsyrien zu verhindern", hieß es in der mit 354 gegen 60 Stimmen verabschiedeten Entschließung. Diese hat allerdings lediglich den Charakter einer Stellungnahme und für Trump keine verbindliche Wirkung.

Pelosi sagte gleichwohl, der Präsident habe in dem Treffen "sehr aufgewühlt" wegen der Resolution gewirkt. Schumer teilte mit, er habe den Präsidenten nach seinem Plan zur Bekämpfung der IS-Jihadisten gefragt: "Er hatte tatsächlich keinen."

US-Vizepräsident Mike Pence und Außenminister Mike Pompeo sind derweil in Ankara eingetroffen, um zwischen der Türkei und Kurdenmilizen vermitteln und um den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan treffen.

Trump hatte die türkische Regierung zu konstruktiven Verhandlungen mit der US-Delegation auf und drohte andernfalls erneut mit harten Wirtschaftssanktionen. Zugleich machte er deutlich, der Konflikt in Nordsyrien sei nicht das Problem der USA.

Die türkische Militäroffensive läuft seit einer Woche. Sie richtet sich gegen die Kurdenmiliz YPG, die auf syrischer Seite der Grenze ein großes Gebiet kontrolliert. Die Türkei sieht in ihr einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit eine Terrororganisation. Die YPG waren im Kampf gegen den IS ein enger Verbündeter der USA. Mehr als 160.000 Zivilisten sind wegen der türkischen Offensive auf der Flucht – laut der oppositionsnahen "Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte" sind bis zu 300.000 Menschen geflüchtet.

Amerikaner wollen Waffenruhe erreichen

Die Amerikaner wollen eine Waffenruhe in dem Konflikt erreichen. Die Chancen, damit in Ankara weiterzukommen, dürften jedoch gering sein. Erdoğan hatte in der Nacht auf Mittwoch bereits klargestellt, dass ein Waffenstillstand nicht infrage komme, solange das von ihm ausgerufene Ziel nicht erreicht sei: Die Türkei will entlang der syrisch-türkischen Grenze eine sogenannte Sicherheitszone einrichten und die Kurdenmilizen vertreiben.

Erdoğan schloss am Mittwoch außerdem Verhandlungen mit der Gegenseite aus. Es gebe Anführer, die vermitteln wollten, aber die Türkei setze sich nicht mit "Terroristen" an einen Tisch, sagte er.

"Hat nichts mit uns zu tun"

Nach Einschätzung von Trump haben die Amerikaner keinerlei militärische Verantwortung in dem Konflikt. "Zwei Staaten kämpfen um Land, das nichts mit uns zu tun hat", sagte er am Mittwoch im Weißen Haus. "Es ist nicht unsere Grenze, wir sollten darüber keine Leben verlieren." Trump betonte, die USA seien bemüht, in dem Konflikt zu vermitteln. Mit Sanktionen und Zöllen sei mehr zu erreichen als mit militärischer Macht.

Der einflussreiche republikanische Senator Lindsey Graham beklagte, Trumps Aussage, der Konflikt sei nicht Sache der USA, untergrabe die Vermittlermission von Pence und Pompeo vollkommen. Graham ist eigentlich ein Vertrauter des US-Präsidenten, liegt mit ihm in der Syrien-Frage aber fundamental über Kreuz.

Trump ist seit Tagen massiver Kritik – auch und gerade aus den Reihen seiner Republikaner – ausgesetzt, er habe mit dem Abzug amerikanischer Soldaten aus Nordsyrien den Weg für Erdoğans Militäroffensive geebnet und die Kurden schändlich im Stich gelassen.

Brief an Erdoğan: "Seien Sie kein Narr!"

Der US-Präsident weist die Vorwürfe zurück und argumentiert, er wolle amerikanische Soldaten aus den "endlosen Kriegen" zurückholen. Am Mittwoch betonte er erneut, er habe Ankara keineswegs grünes Licht für die Militäraktion gegeben, sondern vielmehr eine harte Ansage gemacht. Dazu habe er Erdoğan auch einen Brief geschrieben.

Der Fernsehsender Fox News veröffentlichte kurz darauf eine Kopie des Schreibens, dessen Echtheit das Weiße Haus nach Angaben anderer US-Medien bestätigte. Datiert ist der Brief auf den 9. Oktober – also jenen Tag, an dem die Türkei mit ihrer Militäraktion begann. Trump rief Erdoğan in dem Brief auf eigenwillige Weise zu einer friedlichen Lösung auf. Sollte er sich allerdings der Tötung tausender Menschen schuldig machen, werde die US-Regierung die türkische Wirtschaft zerstören.

Die kurdische Seite sei zu Verhandlungen bereit, schrieb Trump demnach weiter. "Sie können ein großartiges Abkommen schließen." Und er ermahnte Erdoğan: "Seien Sie kein harter Kerl. Seien Sie kein Narr!" Der Brief endet mit den Worten: "Ich werde Sie später anrufen." In sozialen Medien stieß das Schreiben auf viel Spott.

UN-Sicherheitsrat "tief besorgt"

Auch der UN-Sicherheitsrat warnte am Mittwoch nach Beratungen über die türkische Militäroffensive vor der steigenden Gefahr durch den IS. Der Rat sei "tiefbesorgt" wegen des Risikos, das von entflohenen Jihadisten ausgehe, sagte der südafrikanische UN-Botschafter Jerry Matjila, dessen Land dem mächtigsten UN-Gremium im Oktober vorsteht.

Die US-Regierung hat der Türkei unterdessen weitere Sanktionen angedroht. "Zusätzliche Sanktionen werden kommen, wenn sie (die Türken) keine Waffenruhe ausrufen", sagte US-Finanzminister Steven Mnuchin am Mittwoch in Washington. Er zeigte sich zuversichtlich, dass Sanktionen die "notwendigen Auswirkungen" haben würden. (red, APA, dpa, 17.10.2019)