Neun Jahre lang soll eine Familie in einem Haus im niederländischen Ruinerwold völlig isoliert gelebt haben.

Foto: APA/ANP/WILBERT BIJZITTER

Ruinerwold – Das Gericht der Provinz Noord-Holland in den Niederlanden verhängte über jenen 58-jährigen Österreicher, der als Mieter eines Bauernhofs im niederländischen Ruinerwold festgenommen worden war, wegen des Verdachts des Freiheitsentzugs für die Dauer von 14 Tagen die Untersuchungshaft. Das teilte die Staatsanwaltschaft am Donnerstagnachmittag per Twitter mit. Die niederländische Staatsanwaltschaft wirft ihm Freiheitsberaubung und Benachteiligung der Gesundheit anderer vor. Das Landeskriminalamt (LKA) Oberösterreich ermittelt auf Ersuchen des Außenministeriums weitere Informationen zu dem Verdächtigen.

Vorerst gebe es keine Hinweise auf eine Mitgliedschaft des Mannes in einer Sekte während der Zeit, die er in Oberösterreich verbracht hat, erklärte das LKA. Die Ermittlungen seien aber noch nicht abgeschlossen.

Aus Bezirk Perg in Niederlande ausgewandert

Der Mann wurde in Waldhausen im Bezirk Perg geboren und hat ein kleines Bauernhaus – ein sogenanntes Sacherl – in Pabneukirchen geerbt. Dieses soll er verkauft haben, dann dürfte er nach Wien übersiedelt, später aber wieder nach Oberösterreich gezogen sein, wo er bis 2010 rund zehn Jahre in einer Marktgemeinde im Bezirk Perg lebte, ehe er in die Niederlande auswanderte.

In den Niederlanden haben die Behörden derweil in der rund 15 Kilometer von Ruinerwold entfernten Ortschaft Zwartsluis zwei Hausdurchsuchungen durchgeführt. Die Polizei wollte zu den Ermittlungen vorerst keine weiteren Informationen veröffentlichen. Zudem werden die Räume des Bauernhofs in Ruinerwold, in dem eine Familie neun Jahre lang völlig isoliert gelebt haben soll, digital erfasst, "um sich einen vollständigen Überblick zu verschaffen", schrieb die Polizei.

Hausdurchsuchung in ehemaligem Spielwarengeschäft

Die Regionalzeitung "De Stentor" berichtete, dass die Hausdurchsuchungen am Mittwochnachmittag stattgefunden haben. Eine fand demnach in einem Gebäude statt, in dem bis vor zehn Jahren ein Spielwarengeschäft untergebracht war. Es soll von dem inzwischen bettlägrigen Vater der isolierten Familie betrieben worden sein.

Das Gebäude soll schon länger zum Verkauf stehen, Mieter seien der Vater und der Österreicher, der am Mittwoch festgenommen wurde. Über die zweite Hausdurchsuchung, von der die Polizei in Drenthe berichtete, war weniger bekannt. Es seien mehrere Ordner sichergestellt worden, hieß es.

Medien berichten von drei weiteren Kindern

Nach dem bisherigen Wissenstand hat sich der Österreicher vor neun Jahren in den Niederlanden niedergelassen. Wie er die Familie kennengelernt hat und warum die Kinder und der Vater in dem von dem Österreicher angemieteten Gebäude wohnten, ist unklar. Er selbst dürfte nicht dort gelebt haben. Nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa kam er nur regelmäßig vorbei und erledigte Reparaturarbeiten.

Die jahrelang isoliert lebende Familie soll laut Medienberichten noch drei weitere Mitglieder haben. Bisher ging man von sechs Kindern im Alter von 18 bis 25 Jahren und dem bettlägrigen Vater aus. Der Lokalsender RTV Drenthe berichtete nun, dass es noch drei ältere Töchter geben soll. Sie sollen älter als 25 Jahre sein, ihr Aufenthaltsort sei unbekannt.

Die Mutter dürfte bereits 2004 gestorben sein, seitdem kümmerten sich die Kinder auch um den Vater. Am Montag ging schließlich der älteste Sohn in ein Lokal und berichtete dem Wirt, dass er weggelaufen sei, Hilfe brauche und nicht mehr nach Hause könne. Der 25-Jährige habe auch geschildert, dass er neun Jahre lang nicht mehr draußen gewesen sei. Daraufhin hatte der Gastwirt die Polizei eingeschaltet. Er beschrieb den jungen Mann als "sehr verwirrt", er habe außerdem auf eine kindliche Weise gesprochen. (red, APA. 17.10.2019)