Der Titan ist exotisch und erdähnlich zugleich. Manche Forscher halten es sogar für möglich, dass dort primitives Leben existiert.
Foto: NASA/JPL-Caltech

Die Temperaturen dort sind mit rund minus 180 Grad Celsius freilich nicht gerade kuschelig, und auch sonst erscheinen die Bedingungen auf dem Titan auf den ersten Blick alles andere als lebensfreundlich – und doch gilt der größte Mond des Saturn als eines der erdähnlichsten Objekte des Sonnensystems: Der Himmelskörper mit einem Durchmesser von rund 5.150 Kilometern besitzt eine dichte Atmosphäre, ausgedehnte Dünenlandschaften, Flüsse, Seen und Inseln sowie einen regelrechten Flüssigkeitskreislauf. Im Unterschied zum Wassersystem der Erde regnen aus den Titanwolken jedoch die Kohlenwasserstoffe Methan und Ethan herab.

Auch scheint die weitgehende Abwesenheit von Impakt-Kratern darauf hinzudeuten, dass die Oberfläche des Titan fortdauernden Veränderungen unterworfen ist. Mithilfe von Aufnahmen der Nasa-Sonde Cassini konnten Astronomen sogar belegen, dass es auf dem Titan auch so etwas wie Jahreszeiten gibt. Oberflächenreflexionen, die nur zu bestimmten Zeiten auftauchen, legen nahe, dass es zu saisonalen Schwankungen bei Temperaturen und Feuchtigkeit kommt.

Der Vergleich zeigt die Parallelen zwischen terrestrischen (rechts) Sanddünen und Dünen auf dem Titan (links).
Fotos: NASA/JPL-Caltech, and NASA/GSFC/METI/ERSDAC/JAROS and U.S./Japan ASTER

Vom Himmel oder doch vom Boden?

Bei aller Ähnlichkeit erscheinen einige Oberflächenmerkmale jedoch äußerst exotisch. Insbesondere die Wüsten der Äquatorregionen mit ihren an manchen Orten über hundert Meter hohen Dünen geben den Forschern Rätsel auf. Bisher hatte man den Ursprung des Materials, aus dem die Dünen gebildet werden, in dem Wolken des Titan vermutet. Eine aktuelle Studie deutet nun aber darauf hin, dass es doch vom Boden stammt.

Aufnahmen der Nasa-Sonde Cassini offenbarten in der Vergangenheit auf diesen Dünen organische Moleküle, die für eine dunkle Färbung sorgen. Ähnliche polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe wurden auch in der dichten, dunstigen Gashülle des Titan erspäht, was viele Wissenschafter zu der Ansicht gelangen ließ, dass dort auch die Quelle für das Material der Sanddünen zu suchen ist.

Ein Team um Ralf Kaiser von der University of Hawaii in Mānoa, Honolulu, spekuliert jedoch im Fachjournal "Science Advances", dass sich die dunklen organischen Körnchen auch auf der Oberfläche des Titan bilden könnten, und zwar in einem Prozess, der ebenso auf anderen Himmelskörpern eine Rolle spielt.

Normalerweise verhindert die dunstverhangene Atmosphäre einen genaueren Blick auf die Oberfläche des Titan. Infrarotaufnahmen von Cassini zeigen, wie der Mond ohne seine dichte Wolkendecke aussehen würde.
Fotos: NASA/JPL-Caltech/University of Nantes/University of Arizona

Acetylen-Eis unter Beschuss

Als die Forscher Daten von Cassini analysierten, fanden sie in der selben Region wie die Dünen die Signatur von Ethin-Eis, besser bekannt als Acetylen, einem Kohlenwasserstoff mit der Summenformel C2H2. Um herauszufinden, ob sich dieses Eis unter Bedingungen, wie sie auf der Titanoberfläche herrschen, chemisch in komplexe organische Verbindungen umwandeln lässt, führten die Wissenschafter einen Versuch durch: Sie bombardierten Acetylen-Eis mit hochenergetischer Strahlung, die jener entspricht, die auch fortwährend auf den Saturnmond trifft.

Das Ergebnis: Tatsächlich verwandelte sich das Eis in genau jene chemischen Substanzen, die Cassini auf den Titandünen nachgewiesen hatte. Als endgültigen Beweis für die Herkunft und die Zusammensetzung des Dünenmaterials wollen die Wissenschafter ihre Experimente aber nicht gelten lassen. Immerhin aber dürfte dieser Prozess auf Planeten und Monden ohne Atmosphäre sogar noch effizienter ablaufen, so Kaiser. Auf den Zwergplaneten Pluto und Makemake wurden jedenfalls schon solche organischen Materialien beobachtet.

Die geplante Dragonfly-Drohne soll in den 2030er-Jahren die Oberfläche des Titan erforschen.
Illustration: NASA/JHU-APL

Dragonfly soll einen näheren Blick auf die Dünen werfen

"Letztlich bleiben die Dünen des Titan aber weiterhin ein Rätsel. Weder wissen wir genau, woraus der Sand besteht, noch können wir mit letzter Sicherheit belegen, woher er nun wirklich kommt", ergänzt Ralph Lorenz von der Johns Hopkins University in Maryland. Vielleicht hilft aber die Dragonfly-Mission der Nasa dabei, das Mysterium aufzuklären. Die US-Raumfahrtbehörde plant, 2026 eine Sonde in das Saturnsystem zu schicken und will 2034 schließlich in einer Region naher der Dünen eine Drohne landen lassen. (tberg, 21.10.2019)