Die Forschungsförderungsgesellschaft FFG lud in der Vorwoche in Wien zum Diskurs: Digitalisierung und Chancengleichheit.

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Digitalisierung ist die große Chance für Frauen, ist seit Jahren in den Prophezeiungen der großen Berater (etwa Accenture) zu lesen – quasi eine Gleichstellungsmaschine, die bestehende strukturelle Benachteiligungen löst. Klingt gut. Ist nur leider nicht so, sagt die Arbeitssoziologin Nadja Bergmann mit Blick auf einen Stapel gesammelter Studien und Evidenzen.

Als Bild der segensreichen Entwicklung fortschreitender Digitalisierung in der Gleichstellungsfrage wird gern der Elternteil im Home office abgebildet – links und rechts auf den Knien die beiden Kleinkinder, davor auf dem Esstisch der Laptop als Arbeitswerkzeug, das fröhlich Verwendung findet. Kaffeetasse daneben, alles komplett relaxed. Wer das je einmal versucht hat, weiß: Es ist Blödsinn.Aber zu den harten Fakten abseits falscher Arbeitgeberwerbungen: In der (Software)-Entwicklung arbeiten über 80 Prozent Männer. Diese Verteilung zieht sich ähnlich durch die Berufswelt, der die höchste Relevanz zugestanden wird: Technik und Informatik, Kommunikationstechnologie (IKT).

Altes Ideal

Dort ist auch, berichtet Bergmann, das Arbeitsideal Vollzeit mit reichlich Überstunden im Präsenzdienst dominierend. Also: Wer bereit ist, 50 Stunden in der Woche zu arbeiten, der kann zwischendurch schon einmal ins Fitnesscenter oder von anderswo reintippen – die Bedingung bleibt aber die hauptsächliche Widmung des Lebens an den Job. Frauen zeigen dort den sogenannten Drehtüreffekt: Sie gehen rein und recht schnell wieder raus – weil es sich nun einmal nicht vereinbaren lässt mit den sogenannten Familienpflichten, mit den Familienwünschen. Und das wird nicht besser, sondern es sind Verstärker am Werk, so Bergmann.

Einerseits die Förderstruktur – jeder zweite Förder-Euro in Österreich gehe in männerdominierte Digitalisierungsprojekte, während Frauen im Diskurs entweder als "fehlend" oder "zu fördernd" Platz finden. Oder sie sind diejenigen mit "den guten Eigenschaften" im Digitalisierungszeitalter, also die sozial Kompetenten und Empathischen.

Fachlich – nicht sozial

Allein – Letzteres hilft wenig, zeigt die Soziologin, denn gefragt sind am Arbeitsmarkt nun einmal digitale Skills und die Anpassung an die Normen dieser männlich dominierten Leitbranchen. Herzensgüte wird zwar propagiert, aber auch nur das. Dass quasi evolutionär von selbst Änderung geschieht, scheint so gut wie unmöglich beim Blick auf die Absolventenstatistik: Bei technischen Hochschulabschlüssen stagniert der Frauenanteil in Europa bei zehn bis 20 Prozent. Digitale Skills werden anfangs zwar bei Mädchen und Burschen als gleich gemessen, allerdings werden sie bei Mädchen kaum oder selten in praktische Skills übergeführt (z. B. Coden). In den berufsbildenden Schulen fließen digitale Investments in burschendominierte Zweige. Und schließlich die vielgelobte Teilhabe der Frauen durch Plattformökonomien. Ja, so Bergmann, das ist zu sehen, aber: Es handle sich um digital ermöglichte kleine Jobs, also weitgehend wenig abgesicherte, niedrig bezahlte Tätigkeiten (Crowdwork). Ob das so eine tolle Chance sei – diese Frage lässt sie offen. (23.10.2019)