Durch Pyritverwitterung versauertes Wasser im Rio Tinto ("roter Fluss) im Südwesten Spaniens. In den Eiszeiten könnten Küstengewässer aufgrund der Pyritverwitterung in den ehemaligen Schelfsedimenten so ausgesehen haben.

Foto: Riotin to2006

In kristalliner Form bildet Pyrit häufig annähernd perfekte Würfel.

Foto: Carles Millan

In den vergangenen 2,6 Millionen sorgten mehrer Kaltzeiten gleichsam für ein Wechselbad der globalen Temperaturen. Die letzte Kaltzeit, das sogenannte Würm-Glazial, begann vor etwa 115.000 Jahren und endete vor 10.000 Jahre. Heute geht man davon aus, dass Veränderungen der Konzentration von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre maßgeblich für diese natürliche Abfolge von Kalt- und Warmzeiten verantwortlich waren. Wodurch jedoch der Kohlendioxidanstieg ausgelöst wurde, der die Übergänge von Kalt- zu Warmzeiten prägte, war bisher noch ziemlich unklar.

Ein Team um Martin Kölling vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen hat nun auf Grundlage eines neuen Modells einen möglichen Schuldigen ausgemacht: Pyrit – oder genauer dessen Verwitterung – könnte demnach hierbei eine Schlüsselrolle spielen.

Der umgangssprachliche Name für Pyrit ist Katzengold. Das Mineral mit der chemischen Zusammensetzung FeS2 ist eine kubische Variante von Eisen(II)-disulfid. Als Kristall bildet es goldfarbene Würfel, fein verteilt in Ablagerungen am Ozeanboden sorgt es dagegen für eine schwarze Färbung. Bei Kontakt mit Luft verwittert Pyrit. Dabei entsteht Säure, die wiederum Kalk auflöst und dabei das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO2) in die Atmosphäre freisetzt.

Kölling hat gemeinsam mit seinen Kollegen nun die Auswirkungen der Pyritverwitterung im Zusammenhang mit Meeresspiegeländerungen, die mit Eiszeitzyklen einhergehen, genauer untersucht. Seine Berechnungen basieren auf der Grundidee, dass in Eiszeiten der Meeresspiegel über einhundert Meter tiefer lag als heute wodurch weltweit mehr als 20 Millionen Quadratkilometer Schelf trocken lagen. Dort konnte dann Pyrit im großen Maßstab verwittern und CO2 in die Atmosphäre freisetzen.

Bisher unbeachteter Prozess

Verglichen mit dem heutigen, durch Menschen verursachten CO2-Ausstoß war dies eine kleine, aber bedeutende Menge, die in der gleichen Größenordnung wie der CO2-Ausstoß von Vulkanen liegt. "Global handelt es sich um eine für das Klimasystem wirksame Menge", sagt Kölling. Vor allem sei der CO2-Ausstoß systematisch vor dem Ende von Eiszeiten erfolgt. "Wir vermuten aufgrund unserer Berechnungen, dass dieser Prozess dabei geholfen hat, die Eiszeiten zu beenden", so der Forscher weiter. Die Pyritverwitterung könnte ein bislang unbeachteter Prozess sein, der über den Treibhauseffekt indirekt das Schmelzen der Gletscher und damit den Meeresspiegelanstieg sowie das Eiszeitende steuerte.

Für das im Fachjournal "Nature Geoscience" veröffentlichte Modell hat Kölling in Eisbohrkernen nachgewiesene CO2-Gehalte sowie den Meeresspiegel der letzten 800.000 Jahre analysiert und miteinander verglichen. Sein Ergebnis: Nimmt man die ganz niedrigen Meeresspiegelstände in den Kaltzeiten aus, verlaufen Meeresspiegel und Kohlenstoffdioxid in erstaunlich parallelen Kurven: Steigt der Meeresspiegel um einen Meter, erhöht sich auch der CO2-Gehalt um 0,001 Promille. In den vergangenen 800.000 Jahren war der Meeresspiegel so zu einem Großteil an den Kohlendioxidgehalt gekoppelt.

Wandernde Pyritverwitterungsfront

Steigt der Meeresspiegel nach einer Eiszeit an, wird der Kontinentalschelf nach und nach wieder mit Wasser bedeckt – und es kann sich in den oberen Metern des Sediments, durch den Zerfall organischer Substanz, neuer Pyrit bilden. Allerdings reicht meist die Dauer der Warmzeiten nicht aus, um den ursprünglichen Pyritgehalt im Schelf wieder "aufzufüllen". Aus diesem Grund, so Kölling, ist die so genannte Pyritverwitterungsfront, also die Schicht im Kontinentalschelf, an der in Eiszeiten in der Tiefe Pyrit oxidiert, mit jeder Vereisung weiter nach unten gewandert. Damit verlagert sich der Meeresspiegelstand, ab dem in großem Umfang Pyritverwitterung einsetzt, immer weiter nach unten. Aktuell liegt diese Front laut Kölling bei etwa 90 Meter unter dem heutigen Meeresspiegel.

Köllings Modell berechnet das Freisetzen von CO2 in Abhängigkeit vom Meeresspiegelstand für die letzten drei Millionen Jahre. Dabei bietet es auch eine Erklärung für die länger werdenden Zyklen, in denen sich Kalt- und Warmzeiten abwechseln. Bereits seit den siebziger Jahren rätseln Forscher, was dazu geführt hat, dass sich vor etwa einer Million Jahren die Länge der Eiszeitzyklen von etwa 41.000 Jahren auf 80.000 bis 120.000 Jahre verlängert hat. Bekannt ist, dass die Schiefe der Erdachse, die mit einer Periode von 41.000 Jahren schwankt, einen großen Einfluss auf das Erdklima hat.

Rätselhafter Zusammenhang mit Erdschiefe-Zyklen

Da es bisher keine schlüssige Theorie gab, warum in den letzten etwa eine Million Jahren nicht jeder Erdschiefe-Zyklus auch eine Rückkehr zu einer Warmzeit bewirkt hat, gingen die meisten Wissenschafter davon aus, dass ein astronomischer Zyklus mit einer Periode von circa 100.000 Jahren vor etwa einer Million Jahren an Bedeutung für das Erdklima gewonnen hat. Zyklen solcher Länge existieren, allerdings ist deren direkter Einfluss auf das Erdklima eher gering und es gab vor einer Million Jahren keine grundsätzliche Änderung der astronomischen Bedingungen.

Eine neue Erklärung liefert nun Köllings Modell: vor rund einer Million Jahren war die Pyritverwitterungsfront weltweit in den Schelfen soweit nach unten gewandert, dass die Meeresspiegeländerung innerhalb eines Erdschiefe-Zyklus nicht mehr ausreichte, um tiefen Pyrit im Schelf freizulegen. Es wurde also kein Kohlenstoffdioxid durch Pyritverwitterung freigesetzt. Die Atmosphäre erwärmte sich nicht ausreichend und, ohne echte Warmzeit, wurde ein zweiter Erdschiefe-Zyklus durchlaufen. Hierbei sank der Meeresspiegel dann soweit ab, dass der Prozess der Pyritverwitterung einsetzen konnte und dabei half eine Warmzeit "einzuläuten". (red, 19.10.2019)