Der Grazer Prozess gegen eine Glaubensgruppe rund um einen radikalen islamistischen Prediger fand unter starker Polizeipräsenz in und außerhalb des Gerichtsgebäudes statt.

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Nie wurde er müde, eindringlich vor den Angeklagten zu warnen, für die er Haftstrafen forderte. Der Staatsanwalt des Grazer Prozesses um sechs mutmaßliche Jihadisten scheute auch vor deftiger Wortwahl nicht zurück, um seinen Warnungen einen dicken Anstrich zu geben: "Islamisten sind islamische Nazis."

Der politische, radikale Islamismus verdränge den Rechtsstaat, "wenn wir nicht aufpassen". Aber er wolle nachdrücklich betonen, hier in Graz werde "nicht über den Islam verhandelt, sondern über den radikalen Islamismus".

Glaubensverein im Fokus

Bei den Glaubensvereinen – im Prozessfokus stand ein Linzer Moscheeverein – werde oft "weggeschaut, weil es unangenehm ist".

Die gebürtigen Türken, zum Teil längst Österreicher, hatten sich wegen der Verbrechen der terroristischen Vereinigung, der kriminellen Organisation, einige wegen staatsfeindlicher Verbindung zu verantworten.

Der Verteidiger jenes Angeklagten, der die Räume an den Linzer Glaubensverein Rahmet vermietet hatte, was ihn als IS-Sympathisant verdächtig gemacht hatte, beschwor die Geschworenen, sie sollten der jeweiligen "individuellen Schuld" auf den Grund gehen und nicht alle Angeklagten unisono unter Kollektivschuld stellen.

Die hier in den letzten Wochen vor Gericht verbreiteten Ansichten seien ihm "zutiefst zuwider" gewesen, sein Mandant sei aber sozusagen nur ein kleines Rädchen gewesen. Dieser habe ja die Räume des Vereins, in dem der Prediger laut Anklage junge Muslime für den IS-Kampf angeworben haben soll, nur vermietet.

"Scharfsinniger" Ankläger

Der Staatsanwalt mit dem scharfkantigen Antlitz, den der Anwalt respektvoll als besonders "scharfsinnig" charakterisiert, starrt während des Plädoyers des Verteidigers unbewegt in den Laptop. Aber – man kennt ihn – die Ohren sind gespitzt, und plötzlich springt er auf und fährt dazwischen. Der Angeklagte hätte den radikalen Verein als Vermieter ja hinausschmeißen können. Er vertraue den Geschworenen, dass sie selbst bei diesen "kleinen" Angeklagten hart bleiben. "Scheuen Sie sich nicht, strenge Strafen zu verhängen", hatte er schon zuvor an die Laienrichter appelliert. Hier waren die Laienrichter anderer Meinung. Sie sprachen den Angeklagten frei.

"Tötender Prophet"

Zur Einschätzung der in Graz abgehandelten Thematik des radikalen Islam hatte das Gericht auch Sachverständige wie den islamischen Religionspädagogen Ednan Aslan kommen lassen. Dieser hatte den Auftrag, vier Freitagsgebete des angeklagten Predigers zu analysieren. Dabei sei es fokussiert um den "echten Muslim" gegangen, der "Christen oder Juden nicht nachahmen soll, denn dadurch würden Männer ihrer Männlichkeit und Frauen ihrer Weiblichkeit beraubt". "Der Jihad muss unbedingt durchgesetzt werden", hieß es in einer der Reden. Jeder, der die Verbreitung des Islam verhindere, müsse "beseitigt werden". Der Prophet sei durchaus "auch ein tötender Prophet" gewesen. "Die Gebete basieren auf radikalislamistischer Ideologie", sagte der Gutachter.

Zwei Freisprüche

Der Prediger, dem vorgeworfen wurde, junge muslimische Männer radikalisiert und für den IS angeworben zu haben, beteuerte in seinem Schlusswort seine Unschuld. Er habe niemanden gezwungen, "wir haben nichts gemacht". In der Zelle habe er jetzt Gedichte verfasst und Teile des Korans auswendig gelernt. "Ich vertraue Gott, dem Einzigen." Er wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Vier weitere Angeklagte erhielten Haftstrafen im Ausmaß von fünf Monaten bis zu sechs Jahren. Zwei Angeklagte kamen frei. Die Urteile sind nicht rechtskräftig. (Walter Müller, 17.10.2019)