Die Ankündigung seines Rücktritts war seinerzeit nicht spurlos an Hermann Maier vorübergegangen.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Die zehn Jahre seither haben ihm, wie es aussieht, hingegen kaum zugesetzt.

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Hipster Maier

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In einen hippen Szenelokal am Wiener Brunnenmarkt stellte sich zehn Jahre und vier Tage nach seinem Karrierende ein gut gelaunter, braun gebrannter und ohne Bauchspeck gebliebener Hermann Maier nach einem Werbedreh der in den letzten Jahren gemiedenen Presse. Retrospektiv habe ihm der Leistungssport in Sachen richtiges Training und Rückschläge wegstecken sehr viel gebracht. Körperlich gehe es ihm "tipptopp". Er sei nie in ein Loch gefallen, er vermisse nichts.

"Ein tolles Abenteuer"

Schließlich ist Maier, sagt er, schon vor seiner sportlichen Karriere gewohnt gewesen, normal zu arbeiten. Bei Dreharbeiten für Werbespots oder Sendungen aus der Reihe Universum benötige es aber oftmals viel mehr Geduld, als früher, als er seinen Arbeitstag im Wesentlichen nach 1:40 Minuten Fahrzeit beendet hatte. Der 46-Jährige vermisst den Weltcup nicht. "Sehe ich die ersten Bilder vom Schnee, freue ich mich auf das Skitourengehen." Er bereue nichts. "Es gibt zwar Dinge, die nicht ganz optimal waren, aber das gehört zum Leben dazu, sonst wäre es langweilig." Wenn, dann bedauert er ein wenig, dass er es sich nicht leichter gemacht habe. "Der Weg war nicht der einfachste, aber es war ein tolles Abenteuer." Der Marsch zum Südpol zähle auch dazu. "Das ist aber nicht damit zu vergleichen, wenn man allein am Start steht."

Wurde Maier schon nach Marcel Hirschers Gleichzug an Siegen mit dem "Herminator" für seine nur zögerliche Anerkennung dieser Leistung kritisiert, so setzte er auch diesmal wieder einen kleinen Seitenhieb in Richtung des Salzburgers, als er konstatierte, dass ihn wundere, warum Hirscher sich nun für Arbeit und nicht für das Vergnügen entschieden habe, schließlich sei rund um ihn alles gemacht worden, er hätte nur Skifahren müssen. Ein Comeback des 30-Jährigen würde er nicht ausschließen, aber ihn habe schon gewundert, dass Hirscher sogar bei einem gemeinsamen Segeltörn müde gewesen wäre.

Beginn eines Mythos

Blickt er zurück, dann fallen ihm die vielen auf den Reisen erlebten kleinen Abenteuer ein und natürlich auch so manche seiner 54 Weltcupsiege, die er in zwölf Jahren aktiver Karriere feiern durfte. Dazu zweimal Gold bei Olympia 1998 in Nagano, als er nach einem spektakulären Sturz in der Abfahrt noch Olympiasieger im Super-G wurde. In Vail/Beaver Creek krönte er sich 1999 zum Doppelweltmeister (Super-G und Abfahrt), in Bormio 2005 holte der vierfache Gesamtweltcupsieger WM-Gold im Riesentorlauf.

Besorgt zeigt sich Maier, dass der Weltcup fast zur Zweiklassengesellschaft mutiere, weil viele am Materialsektor benachteiligt seien und nicht mitmischen können. Maier kritisiert auch die vielen Rennen, das sei inflationär. Und im Gesamtweltcup sieht er die Techniker schon allein auf Grund der Anzahl der Rennen klar bevorzugt. Man könnte sich daher überlegen, den Gesamtweltcup überhaupt wegzulassen. Sagte es – und verschwand wieder zu den Dreharbeiten.

Start in eine neue Ära

Szenenwechsel: In einem Hinterstübchen bei einem Heurigen in Neustift am Walde türmt sich umringt von Salat und Gemüse allerlei Paniertes, Bratenduft liegt in der Luft. Der österreichische Skiverband bat hat tags zuvor, knapp eine Woche vor dem Weltcupauftakt in Sölden, zum Gespräch über die polarisierenden Themen der Skirennfahrt. Mit dabei natürlich auch ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel, der nach dem Rücktritt des achtfachen Gesamtweltcupsiegers Marcel Hirscher bemüht ist, die Erwartungshaltung herunterzuschrauben.

"Einzelsiege können wir viele feiern, aber den Gesamtweltcup würde ich für heuer eher ausschließen, obwohl wir ein paar haben, die nachkommen, die viel Potenzial haben, da bin ich schon zuversichtlich. Aber wahrscheinlich werden Alexis Pinturault und Henrik Kristoffersen die Favoriten sein", sagt der fit und munter wirkende 78-Jährige, der die ÖSV-Athleten aber sehr wohl "in Lauerstellung" sieht. Klares Ziel für die Saison sei der für die Gesellschaft wenig bedeutsame Nationencup, den man vergangene Saison – hätte Hirscher bereits eine Saison früher seine Rennlatten in den Keller geräumt – an die Schweiz abtreten hätte müssen.

Damit das Know-how von Hirscher nicht verloren geht, werden Trainer Mike Pircher und Vater Ferdinand Hirscher weiter für den ÖSV arbeiten. Ihre Aufgabe wird es sein, als den Hirscher-Spirit vermittelnde Berater den Talenten aus dem Europacup den heiklen Umstieg in den Weltcup zu erleichtern.

Schröcksnadel pro Weltcup-Kalender-Entflechtung

Ein Anliegen ist Schröcksnadel die Entflechtung des Weltcup-Kalenders. Der Tiroler glaubt nicht, dass die vielen Rennen (heuer 46 bei den Herren, 43 bei den Damen) für die vielen Verletzungen verantwortlich seien. Vor allem die Reisen seien das Problem. Das durch die Welt fahren sei momentan so nicht ganz rational. Er verweist darauf, dass nun auch noch China mit Yanqing, 75 Kilometer von Peking, als Austragungsort dazukommt. Jedes Land könnte auf ein Rennen verzichten, aber es sei schwierig, weil "die Rennen nicht der Fis gehören, sondern den nationalen Verbänden." Natürlich sei China für die Skiindustrie ein interessanter Markt. Schröcksnadel: "Aber die Chinesen verstehen das Skifahren nicht als Sport, sie sehen es als Freizeitbeschäftigung."

Schröcksnadel kann sich vorstellen, unter der Woche, Dienstag, Mittwoch verstärkt Technikbewerbe anzusetzen, an den Wochenenden die Speeddisziplinen auszutragen. Die Abendrennen unter der Woche würden wesentlich höhere Quoten erzielen als die Bewerbe am Wochenende. "In Schladming haben wir eine höhere Quote als in Kitzbühel." Das Problem ist nur, dass die Fernsehstationen das teilweise nicht wollen."

Kein Fan von Parallelbewerben

Die seit Jahren in der Kritik stehende Kombination bleibt nun doch weiter im Programm. Schröcksnadel setzte sich zunächst nicht dafür ein, aber nachdem ihn und viele Interessierte des Sports die Parallelbewerbe – abgesehen von Alta Badia – emotional nicht mitgerissen hätten, kam er zu dem Schluss, dass ihm die Kombination allemal lieber ist. "Weil sie sportlich wertvoller ist." (Thomas Hirner, 17.10.2019)