Boris Johnsons Brexit-Deal könnte am Samstag im britischen Unterhaus an Arlene Fosters nordirischer DUP scheitern.

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Nordirland hat in den vergangenen Jahrzehnten viele herausragende Politiker hervorgebracht. Zu ihnen zählte auch Ian Paisley, Chef einer fundamentalistischen Protestantensekte und Pate der erzkonservativen DUP, die heute im Parlament von Westminster das Zünglein an der Waage abgibt.

Drei Jahrzehnte lang fungierte die 1971 gegründete Partei als Vehikel und Sprachrohr des "Nebelhorns Gottes". Stachel im Fleisch der kompromisswilligeren Unionisten in der vom Bürgerkrieg geschüttelten britischen Provinz, von konservativen wie Labour-Politikern in London gleichermaßen gehasst und gefürchtet – Paisleys Karriere baute darauf auf, möglichst laut "No" und "Never" zu sagen. Der Mann verfügte über "ein konkurrenzloses Talent, die Pläne anderer zu zerstören", lautete einmal die Beobachtung des konservativen Spitzenpolitikers William Whitelaw.

Diese wenig konstruktive Charaktereigenschaft scheint auch fünf Jahre nach Paisleys Tod weiterhin in der DNA der Partei enthalten zu sein. Seine Nachfolgerin im Amt der Vorsitzenden, Arlene Foster, gehört zu einer jüngeren, pragmatischeren Generation nordirischer Politiker. Doch werden die Unionisten noch immer angetrieben von zwei fundamentalen Ängsten. Einerseits droht ihnen objektiv die Gefahr, erstmals seit der Besiedlung Irlands durch fromme Protestanten aus Schottland zur Minderheit zu werden. Mindestens so stark verwurzelt wie die Abneigung gegen die Katholiken ist zudem das Misstrauen gegenüber der vermeintlich stets zu Perfidien aufgelegten Regierung in London.

Milliardengeschenk

Dass die DUP unter der früheren Premierministerin Theresa May an ungeahnter Bedeutung gewann, beruhte auf deren panischer Reaktion nach der Wahl 2017. Weil die Tories ihre Mandatsmehrheit im Unterhaus eingebüßt hatten, steckte May der DUP eine Milliarde Pfund für Nordirland zu und erhielt dafür die Zusicherung dauerhafter Unterstützung. Viel vernünftiger wäre gewesen, die Regierungschefin hätte ihre Rolle als Leiterin einer Minderheitsregierung akzeptiert, zumal die DUP gewiss nicht die Labour-Opposition unterstützen würde. Deren Chef Jeremy Corbyn gilt nämlich als langjähriger Unterstützer der irischen Wiedervereinigung.

So aber hatte May die Rolle als Schiedsrichterin verspielt, die das Karfreitagsabkommen den Regierungen in London und Dublin zugedacht hat. Die mühsam gepflegte Zustimmung der nationalistischen Minderheit zu den Institutionen der Regionalregierung hat sich von diesem Schlag nicht erholt.

Fosters Regierungshandeln – vor allem ein unaufgeklärter Skandal um Subventionen, die den Staat rund 300 Millionen Pfund gekostet haben dürften – bleibt ebenso umstritten wie ihre Parteiführung. Allerdings ist der DUP aus Paisleys Zeiten eine stalinistische Disziplin eigen, Meinungsverschiedenheiten dringen kaum nach außen. Dem Vernehmen nach teilen nur drei der zehn Mandatsträger im Unterhaus die harte Haltung der Chefin. Zu den Kompromisswilligen zählt angeblich auch Ian Paisley Junior, der mittlerweile auch bereits 52-jährige Sohn des toten Patriarchen. (Sebastian Borger aus London, 18.10.2019)