Ich habe das sri-lankische Apfelcurry ausgerechnet in Neapel kennengelernt. In der süditalienischen Stadt sind die Sri Lanker das, was in Berlin die Araber und Türken sind – die sichtbarste Migrantengruppe.

Seit den späten 1990ern sind Angehörige der singhalesischen katholischen Minderheit vermehrt hierhergekommen, um als Krankenpfleger und Hausangestellte zu arbeiten – wer daher am Sonntag durch Sanità, Neapels Rudolfsheim-Fünfhaus, spaziert, riecht mindestens so oft den Duft von Curry wie von Genovese oder Tomatensauce.

Foto: Tobias Müller

Vor allem rund um die Piazza Cavour haben sich zahlreiche mehr oder weniger legale sri-lankische Restaurants etabliert, die für die Ausgewanderten kochen. Und weil sich Italiener, die Chili so gar nicht vertragen, hier nie hineinverirren würden und also ausschließlich für den Geschmack der eigenen Leute gekocht wird, sind einige davon ziemlich gut.

Für irgendwas zwischen 2,50 und vier Euro bekommt man hier mittags eine riesige Portion Reis mit fünf verschiedenen Currys serviert. Und gleich bei einem meiner ersten Besuche war da das Apfelcurry dabei. Es war Liebe auf den ersten Biss. Feste, leicht süße, stark saure Äpfel treffen auf ordentlich Chili und jede Menge geröstete Gewürze, was sie komplex, aufregend, fast fleischig schmecken lässt. Die viel zu vertraute Frucht schmeckt auf einmal aufregend und unentdeckt – eine willkommene Auffrischung einer schon ziemlich abgekühlten Beziehung.

Kleiner Einschub: Ich halte Äpfel ja generell für ein maßlos überschätztes Obst, das Fruchtäquivalent zum Spargel. Sicher, Äpfel sind nicht schlecht, manchmal sogar richtig gut, aber bei weitem nicht so aufregend, dass zu jeder Jahreszeit Unmengen von ihnen (und sonst fast nichts!) in jedem Supermarkt liegen müssten. So, wie die Spargeldiktatur im Frühling zu Gemüseödnis führt, vergeudet der Apfelabsolutismus wertvollen Platz am Obst- und Gemüsestand, der mindestens genauso guten Früchten gewidmet werden könnte – und sei es nur die ebenfalls gewöhnliche und trotzdem aufregendere Birne. Umso mehr freue ich mich, mit dem Apfelcurry zumindest eine würdige Verwendung gefunden zu haben.

Ersatzobst

Das Rezept ist übrigens ein astreiner Bastard. Mein sri-lankischer Kontaktmann Malcom hat mir versichert, dass es in Sri Lanka selbst unbekannt sei, weil Äpfel dort nicht heimisch und also sehr teuer sind – er selbst habe Apfelcurry das erste Mal in Neapel gegessen. Fruchtcurrys gibt es allerdings auf der Insel genug – etwa mit Ambarella, einer sauer-knackigen tropischen Frucht, die in ganz Südostasien verbreitet ist. Weil Ambarella in Europa kaum erhältlich ist, wurde sie kurzerhand durch saure Äpfel ersetzt, mein Malcom.

Ich weiß nicht, ob das Apfelcurry eine spezifisch neapolitanische Spezialität ist oder auch in anderen Diasporagemeinden verbreitet ist. Für Letzeres spricht, dass eine Google-Suche nach Sri Lankan Apple Curry doch einige Ergebnisse bringt. Ich habe mich für mein Rezept an diesem hier orientiert. Achten Sie darauf, sehr saure, feste Äpfel zu nehmen (meine waren zu süß), und sparen sie nicht mit den Chilis. Ich bin mit der Gewürzmischung noch nicht ganz zufrieden und werde etwas weiterexperimentieren, mehr Chili, mehr Röstaromen – toben Sie sich aus und posten Sie gelungene Ergebnisse.

Das Apfelcurry ist in 15 Minuten gekocht, wenn Sie einmal die Gewürzmischung beisammenhaben. Die ist der mühsamste Teil der ganzen Geschichte. Zwar gibt es sri-lankisches Currypulver in Asialäden zu kaufen, ich halte aber gar nichts von bereits vorgemahlenen Gewürzen. Sie sind fast immer alt und ausgeraucht. Ein wenig Röst- und Mahlarbeit zahlt sich daher auf jeden Fall aus.

Foto: Tobias Müller

Sri-lankisches Apfelcurry
(für 6 als Teil eines vollständigen Rice-and-Curry-Mahls oder für zwei, die nur Reis und vielleicht ein weiteres Curry dazuessen)

Mit Currypulver ist es wie mit Ajvar oder Paprikahendl: Es gibt so viele Rezepte, wie es Köche gibt. Grob unterscheiden Sri Lanker zwischen der Gewürzmischung der Tamilen im Norden (scharf) und jener der Singhalesen auf dem Rest der Insel (bissl weniger scharf), und dann noch zwischen geröstetem (intensiv) und nichtgeröstetem (weniger intensiv) Currypulver.

Soweit ich es überblicke, wird für Apfelcurry meist singhalesisches geröstetes Pulver verwendet. Meine Variante stammt aus dem schönen "Sri Lanka – the Cookbook", das ich mir zur Recherche für Neapel gekauft habe. Die Menge Currypulver reicht für mehrere Apfel- oder sonstige Currydurchgänge. In einem Glas im Kühlschrank hält es sich leicht mehrere Wochen.

Für das Currypulver

20 Gramm Koriandersamen
10 Gramm Kreuzkümmelsamen
5 Gramm roher Reis
5 Gramm Fenchelsamen
1 daumennagelgroßes Stück Zimt
3 frische Curryblätter
1–2 getrocknete Chili
2 Kardamomkapseln
1 Nelke
3 Gramm schwarzer Pfeffer

Für das Curry

2 saure Äpfel
1 Zwiebel
2–3 Knoblauchzehen
4–5 frische Chili
4–5 frische Curryblätter (gib's im Asiashop, lassen sich ein paar Wochen einfrieren)
1 gehäufter Teelöffel schwarze Senfkörner
1 Teelöffelspitze Kurkuma
2 EL Currypulver
150 ml Kokosmilch (Dose vorher schütteln)
100 ml Wasser (oder Hühnersuppe)

Salz, Öl

Erst Koriander, Kreuzkümmel, Fenchel und Reis in einer trockenen Pfanne rösten, bis sie Farbe genommen haben und duften, dann Zimt, Curryblätter und Chili und schließlich Kardamom, Nelke und Pfeffer.

Foto: Tobias Müller

Alles in einem Mörser zu Pulver mahlen.

Foto: Tobias Müller

Zwiebel grob schneiden, Knoblauch fein hacken, Chili in Ringe schneiden.

In einem Topf etwas Öl heiß werden lassen. Ich habe Hühnerfett und Chiliöl verwendet, weil ich beides gerade zur Hand hatte, aber etwas Erdnussöl oder gar Kokosnussfett tut's natürlich auch. Chili, Zwiebeln, Senfkörner und Curryblätter braten, bis die Zwiebeln schön weich geworden sind, etwa 8 Minuten.

Foto: Tobias Müller

Currypulver, Kurkuma und Knoblauch zugeben und 30 Sekunden braten, dann die Äpfel zugeben, salzen, gut durchmischen und unter Rühren braten, bis sie etwas weich geworden sind, etwa fünf Minuten.

Foto: Tobias Müller

Mit Kokosnussmilch aufgießen und mit einem Schuss Wasser verdünnen. Unter gelegentlichem Rühren einkochen, bis das Curry und die Äpfel die gewünschte Konsistenz haben, etwa fünf Minuten.

Foto: Tobias Müller

Fünf Minuten ziehen lassen und mit Reis servieren. Bei uns gab's noch ein schnelles Kalmar-Kokos-Curry mit herrlich zarten kleinen Kalmaren dazu, aber das ist eine andere Geschichte.

Foto: Tobias Müller

(Tobias Müller, 20.10.2019)