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Jagdszene aus der mittleren Trias: Der Archosaurier Teleocrater hat einen kleinen Säugetiervorläufer erbeutet.
Foto: Reuters/Museo Argentino de Ciencias Naturales 'Bernardino Rivadavia' Buenos Aires

Im Zeitalter des Perm, lange vor den Dinosauriern, war das Leben an Land fest in den Krallen der Therapsiden – jener Gruppe von Landwirbeltieren, aus der sich später auch die Säugetiere entwickeln sollten. Die Therapsiden brachten sowohl unter den Fleisch- als auch unter den Pflanzenfressern die größten Tiere ihres Zeitalters hervor.

Ablöse

Diese Dominanz an Land endete mit einem katastrophalen Ereignis an der Perm-Trias-Grenze vor rund 252 Millionen Jahren. Die Therapsiden überstanden das größte Massenaussterben der Erdgeschichte zwar, aber in der Trias bekamen sie zunehmende Konkurrenz durch die Archosaurier: Krokodile, Flugsaurier und allen voran die Dinosaurier.

Während die Archosaurier immer artenreicher und größer wurden, ging es mit den Therapsiden bergab. Ihre Artenvielfalt schrumpfte, und übrig blieben schließlich nur noch die Kleinen. Am Ende der Trias und im darauffolgenden Jura war der typische Therapsid ein Winzling, der sich nur noch in der Nacht aus seinem Versteck wagte.

An die Nacht angepasst

Forscher der University of Chicago sprechen von einem fast 200 Millionen Jahre langen nächtlichen Exil, das in der Trias begann und erst nach dem Asteroideneinschlag vor 66 Millionen Jahren endete. Diese lange Phase des Lebens am Rand hatte Folgen, die bis heute nachwirken: Die Säugetier-Ahnen entwickelten eine Reihe anatomischer Verbesserungen, die ihnen später noch zugute kommen sollten.

Allerdings mussten sie auch eine Verschlechterung ihres Gesichtssinns hinnehmen. Dass wir Farben so detailscharf wahrnehmen können, verdanken wir unserer Primatenabstammung – eine rare Ausnahme unter den Säugetieren. Aber selbst das, was die Primaten wiedergewonnen haben, kann mit den Augen der meisten Vögel, den letzten verbliebenen Dinosauriern, nicht mithalten.

Neugedacht

Bis heute werden die beiden gegenläufigen Trends von Therapsiden und Archosauriern in der Trias in einen Zusammenhang gestellt: Unsere Urahnen mussten sich demnach vor der übermächtigen Konkurrenz durch die Dinos und deren Verwandtschaft verbergen. Sie seien gleichsam in die Nacht geflüchtet. Barry G. Lovegrove von der Uni Chicago hat vor kurzem im Fachjournal "Physiological and Biochemical Zoology" aber eine ganz andere Erklärung angeboten, und die ist zumindest originell.

Lovegrove verweist auf eine weitere anatomische Veränderung, die sich in der Ahnenreihe der Säugetiere ereignet hat, nämlich den Übergang zur Endothermie (oder "Warmblütigkeit"). Die Entwicklung der Endothermie sei sukzessive vorangeschritten, bis schließlich ein kritischer Punkt erreicht wurde: dann, als die Körpertemperatur so hoch war wie die der umgebenden Luft am Tag.

Das Problem mit den Hoden

Um nicht zu überhitzen, mussten die Säugetier-Ahnen erst Mechanismen wie das Schwitzen oder Hecheln entwickeln – Prozesse, bei denen allerdings wertvolles Wasser verloren geht. Noch kritischer sei das Wärmeproblem aber in Zusammenhang mit der Fortpflanzung gewesen, glaubt Lovegrove. Sind die Hoden nicht kühl genug, leidet die Spermienqualität, was auf lange Sicht fatale Folgen haben kann. Und so etwas wie einen Hodensack, der seinen kostbaren Inhalt auf Abstand zum heißen Körperinneren hält, gab es damals noch nicht, soweit man weiß.

In den vergangenen Jahren gab es einige Studien, die sich mit der Frage befasst haben, warum zwar die meisten heutigen Säugetiere einen Hodensack haben, einige Gruppen – etwa die Elefanten – jedoch nicht. Dafür gingen etwa Max-Planck-Forscher mittels DNA-Vergleichen in der Evolution bis zu den letzten gemeinsamen Vorfahren der heutigen Säuger zurück und kamen zum Ergebnis, dass diese bereits einen Hodensack hatten. Die heutigen Ausnahmen haben ihre Hoden erst nachträglich wieder in den Körper zurückgezogen.

Die von diesen Forschern gleichsam errechneten Ur-Säuger lebten allerdings mindestens ein Zeitalter später als die Tiere, mit denen sich Lovegrove befasste. Die Therapsiden der Trias mussten die gleichermaßen praktische wie unpraktische Innovation des Hodensacks erst hervorbringen. Ein Leben in der Kühle der Nacht könnte ihnen geholfen haben, die Zeit bis dahin zu überbrücken – auch wenn durch die anhaltende Dominanz der tagaktiven Archosaurier letztlich eine der längsten Übergangsphasen in der Geschichte des Lebens daraus geworden ist. (jdo, 3. 11. 2019)