Handke kann wie Bernhard mühelos in der internationalen Spitzenliga der Schimpfkünstler mithalten, ja vielleicht führen die beiden sie sogar an.

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Der österreichische Nationalökonom und Philosoph Leopold Kohr hat ein Gesamtwerk hinterlassen, das man kurz auf die Pointe "Small is beautiful" – so auch der Titel eines Buches mit Kohr-Texten – reduzieren könnte. Das Allzugroße war Kohr aus politischen Gründen zuwider – auch und vor allem bei Staaten.

So gesehen könnten wir uns glücklich schätzen, dass wir in einer Winznation wie der unseren vor uns hinwesen dürfen. Sind wir aber nicht, zumindest wenn man sich nach dem hellsten Zwiegestirn am österreichischen Literatenolymp richtet. Denn anstatt es sich in Oberösterreich respektive Kärnten gemütlich zu machen, die Natur zu genießen und Linzertorte oder Kasnudeln in wohlgesetzten Sonetten zu preisen, haben sowohl Thomas Bernhard als auch Peter Handke stets in der Kunst des Schimpfens exzelliert und sich wenig darum geschert, ob dessen Zielobjekt nun Gott, die Welt, Österreich, das Publikum oder irgendein Journalistenkretin war.

Spitzenliga der Schimpfkunst

Bernhard und Handke können mühelos in der internationalen Spitzenliga der Schimpfkünstler mithalten, ja vielleicht führen sie sie sogar an. Österreich ist ein Epizentrum des globalen Fäulens und Raunzens, ein Eldorado der tourettegleichen Artikulation und Kommunikation.

Was sind die Ursachen, die die heimische Schimpfbereitschaft in Rekordhöhen steigern lassen? Erstens, der latente österreichische Dichtestress. Die Gefahr, in einem kleinen Land zufällig auf einen Erz-Ungustl zu stoßen, mit dem man den Kontakt immer vermeiden wollte (klassischer Schimpfanlass), ist zwischen Bregenz und dem Burgenland größer als zwischen San Diego und New York.

Vielleicht ist aber auch die immense Varietät des österreichischen Schimpfvokabulars besonders anziehend. Man denke an einschlägige Kostbarkeiten: den fulminaten Fetzenschädel, die zischfrische Schastrommel, den Hiafler, den Hallawachl, die Funzn, den Kog, den Grindnigl, den Spreizbeutel, den Pfosten, den Gitschenfattler, das Simandl, das rote Gfrieß, die Schiachperchten oder den Seebrünzler.

Was Wunder, dass angesichts dieses Reichtums das Schimpfen eine Lieblingstätigkeit jedes österreichschen Literaten ist. Und jeder Wortkünstler weiß: Es muss im zwischenmenschlichen Umgang nicht immer der Trottel oder das Arschloch sein. Obwohl Handke bekanntlich auch dieses keineswegs verschmäht. (Christoph Winder, 5.10.2019)