Ein Gospodin will ein Auto kaufen, legt das Geld auf den Tisch. "Sie wissen aber schon, dass die Wartezeit auf einen Neuwagen zehn Jahre beträgt?", fragt der Autohändler. "Passt. Wann soll ich kommen? Vormittag oder Nachmittag?" Der Händler, etwas verwirrt: "Wir sprechen hier von zehn Jahren. Spielt das denn eine Rolle?" – "Ja! Am Vormittag kommt schon der Installateur."

Glückliches Leben im Konsumrausch: In der Ausstellung "Wir bauen ein besseres Leben" im Künstlerhaus Wien stellten die USA 1953 ihr "Model House of the Future" aus – mit neuen Haushaltsgeräten und eigens abgestellten Wohnschauspielerinnen.
Foto: ÖGB-Archiv, Foto USIS

Ronald Reagans berühmte Sowjetwitze, die er in seiner Amtszeit (1981 bis 1989) gerne in seine Reden einflocht, waren so etwas wie ein lustiges und politisch unkorrektes Alleinstellungsmerkmal des US-Präsidenten. Er hatte, so erzählt man sich, sogar einen CIA-Außenmitarbeiter an seiner Seite, der unter anderem mit der Aufgabe betraut war, sich in Russland – wo es immer schon eine große Kultur gab, über die eigenen Lebensumstände zu lachen – umzuhören und die besten, neuesten Witze zu sammeln und an Reagan zu übermitteln.

"Natürlich verbirgt sich unter der Oberfläche dieser Witze eine weniger lustige Realität, die das politische Machtspiel im Kalten Krieg widerspiegelt", sagt Monika Platzer, Kuratorin im Architekturzentrum Wien (AzW). "Aber wir können diese Anekdoten auch als Zeichen dafür sehen, welche Dialogkultur in all diesen Jahrzehnten zwischen Ost und West gepflegt wurde." Und nicht erst in den Achtzigern, sondern schon seit Anbeginn des Kalten Krieges. Eine besondere Rolle spielt hierbei die Zeit von 1945 bis 1955, in der die Streitkräfte der Alliierten Österreich besetzten und das Land und seine Hauptstadt vierteilten.

"Wir wissen bereits einiges über die Zeit der alliierten Besetzung", so Platzer, "aber bislang haben sich die Geschichtswissenschaften vor allem auf Kunst, Kultur, Literatur und Wirtschaftspolitik konzentriert, um nur einige Beispiele zu nennen. Das Feld der Architektur und Stadtplanung im besetzten Österreich war unerforscht." Diese Lücke ist nun geschlossen: Seit vorgestern, Donnerstag, ist im AzW die Ausstellung Kalter Krieg und Architektur. Beiträge zur Demokratisierung Österreichs nach 1945 zu sehen. Zur umfassenden Schau ist ein 340-seitiger Katalog (Park Books) erschienen, in dem man sich verlieren will.

Frische, intellektuelle Luft

"Das Wien der Fünfzigerjahre wird oft als grau und muffig dargestellt", sagt Platzer. "Tatsächlich brachten die Alliierten nach Ende des Zweiten Weltkriegs frische, intellektuelle Luft ins Land. Es herrschte eine gute, internationale Stimmung in der Stadt. Vor allem aber wurde in diesen Jahren eine sehr intensive Architekturvermittlung praktiziert. Das Thema Architektur war in Tageszeitungen, Fachmagazinen und Themenausstellungen allgegenwärtig."

Die Briten, die sich zwischen USA und Sowjetunion als dritte Macht positionieren wollten, bemühten sich um eine Neuordnung der Stadt, indem sie den Greater London Plan auch auf Wien übertragen wollten. Zahlreiche Dokumentarfilme, darunter ein in der Ausstellung gezeigter Zeichentrickfilm mit dem Titel Charley in New Town, der es schafft, in acht Minuten die Probleme der Großstadt auf den Punkt zu bringen, sollten dabei helfen, die Leute zum Umzug an die Peripherie zu motivieren und die dichten Stadtzentren zu entlasten.

Frankreich hegte eine sehr personenorientierte Kulturpolitik, mit der es vor allem die Jugend und die Elite bediente. Dem sozialen Wohnbau stand die französische Siegermacht im Wiental skeptisch gegenüber. Stattdessen entsandte sie den polarisierenden Architekten und Stadtplaner Le Corbusier, der als "Papst oder Antichrist" (O-Ton Die Wochen-Presse) in Wien jedoch auf wenig Resonanz stieß. An den Hochschulen war das Studium seines OEuvres sogar verpönt.

Vereinfachungsaggregat

Die USA übten sich darin, die Fertigbauweise zu propagieren, und errichteten in der Veitingergasse in Wien-Hietzing eine Prefab-Mustersiedlung nach Plänen von Carl Auböck und Roland Rainer. Die 15 Einheiten, 1954 fertiggestellt, wurden als die fortschrittlichste Modul-Komponenten-Anlage der Welt beworben. In der Ausstellung Wir bauen ein besseres Leben im Künstlerhaus Wien wurde zudem die Werbetrommel für ein modernes Leben gerührt: Das 130 Quadratmeter große Model House of the Future war nicht nur mit allerhand US-amerikanischen Konsumgütern ausgestattet, sondern auch mit Schauspielerinnen, die sich den ganzen Tag beim Als-ob-Wohnen beobachten ließen (siehe Foto).

Eine besondere Rolle nahm die Sowjetunion ein. Als hätte sie die Rechnung für Ronald Reagans Witze in weiser Vorahnung schon vier Jahrzehnte im Voraus begleichen wollen, zog sie in zahlreichen Publikationen die Wohn- und Lebensqualität in den USA durch den Kakao und stellte ihrerseits die neuen Moskauer Wohnhochhäuser im Zuckerbäckerstil ins Rampenlicht.

Die Architektur der Alliierten wurde in den Fach- und Publikumsmedien intensiv diskutiert. Die Kehrtwende im russischen Bauen wurde bissig karikiert: "Vereinfachungs- und Verbilligungsaggregat, der lang erwartete umwälzende Arbeitsbehelf für die Planbüros der Architekten".
Foto: ÖGB-Archiv, Die Brücke, Heft 6, 1956

Noch während der Besatzungszeit erlässt Chruschtschow neue Leitlinien für den Baustil, was wiederum in der Zeitschrift Die Brücke in einer Karikatur (Vereinfachungs- und Verbilligungsaggregat) bissig kommentiert wird. Zudem ist es dem Kreml gelungen, inkognito einen Großauftrag an das Wiener Traditionsunternehmen Lobmeyr zu erteilen, womit die üppigen Kristallluster nicht nur in der New Yorker Metropolitan Opera zu sehen waren, sondern auch im machtpolitischen Herzen des Erzrivalen. Prototypen davon sind in der Ausstellung zu sehen.

"Wenn man sich mit den Medien und Ausstellungen zwischen 1945 und 1955 beschäftigt, dann merkt man, welche nachhaltigen Spuren die Besatzungszeit in Wien hinterlassen hat", erklärt Monika Platzer, "in der Medienlandschaft, in den Netzwerken, und im Angebot für die Bevölkerung in Form von Messen, Ausstellungen und Kultur- und Leseräumen." Graue Nachkriegszeit? Oder doch auch eine dialogreiche, durch den Wettbewerb belebte, einander auf die Schaufel nehmende Kulturpolitik, die dem ehemals nationalsozialistischen Österreich den Anschluss an eine transnationale Moderne ermöglichte? Diese Ausstellung wirft viele neue Fragen auf. (Wojciech Czaja, Album, 20.10.2019)