Der Rasierer summt. Serkan Biçer arbeitet gerade den Vollbart seines Kunden aus, Millimeterarbeit. Sein Bruder Samet steht im schwarzen Polo mit dem Aufdruck "Friseur Orange" neben dem Friseurstuhl, auf seinem Kopf thront eine schwarze Nike-Cap. "Friseur Orange" ist der erste Laden von Sedat, Samet und Serkan, den "drei Biçer-Brüdern mit dem S" aus dem elften Bezirk.

Familienbusiness

Das Geschäft in der Leopoldstadt ist nur wenige Quadratmeter groß und hat eine Handvoll Plätze. Abends ist es hier schnell einmal voll. Die Lage passt: U-Bahnstation Taborstraße, links nebenan das türkische Fetzengeschäft Qarizma und eine McDonald's-Filiale, rechts nebenan befindet sich ein Juweliergeschäft.

Seit knapp vier Jahren gibt es den Herrenfriseur der drei Brüder schon. "Wir sind ein Familien-Business", das loszuwerden ist Samet, der in der Türkei geboren wurde und seit 15 Jahren in Wien lebt, wichtig. Wenn der älteste der drei Biçers mit seinen 24 Jahren über das Geschäft redet, klingt er so stolz wie ein ganz Großer.

Bei "Friseur Orange" in der Wiener Leopoldstadt ...
Foto: Matthias Cremer

Vielleicht auch, weil ihm die Friseurschere nicht in die Wiege gelegt wurde. Der Vater, der vor dreißig Jahren aus der Türkei nach Österreich kam, arbeitet als Kanalarbeiter. Sedat, der mittlere Sohn und ausgebildete Friseur, seit acht Jahren an der Schere, bietet gemeinsam mit den Brüdern nun Haarschnitte (13 Euro), Waxen (fünf Euro) und Barttrimmen (fünf Euro) an. Auf dem Instagramkanal von "Friseur Orange" kann man das Handwerk der Biçers, die Galerie mit den kurzgeschorenen Hinterköpfen der Kunden bewundern. "Der Nullerschnitt, seitlich null Millimeter, nach oben hin ganz nach Geschmack, ist am modernsten", erklärt Samet.

Tatsächlich wollen immer mehr Männer Herr ihrer Behaarung sein, dazu gehören regelmäßige Friseurbesuche: Die meisten Kunden kämen nach fünf bis sechs Tagen wieder, manche stünden nach 30 Stunden schon wieder vor der Tür, erklärt Samet. Die Kundschaft ist bunt gemischt: "Nur 30 Prozent haben türkischen Background", und "Gott sei Dank sind wir auf Google gut bewertet", fünf von fünf Sternen. So fänden viele Touristen her.

Geschäfte wie das "Friseur Orange" haben nicht nur das Konzept Herrenfriseur wiederbelebt, sie haben auch die Straßenzüge so manchen Wiener Stadtteils verändert. Auf der Taborstraße machen nicht mehr nur die Biçer-Brüder den Männern die Bärte, entfernen Nasenhaare und zupfen Augenbrauen. In den vergangenen Jahren haben auf der Höhe des Augartens in einem Radius von 500 Metern drei Herrenfriseure aufgesperrt. Dass sie die Straße belebt haben, fällt vor allem in den Abendstunden auf.

... stutzen die Betreiber Samet Biçer (li.) und sein Bruder Serkan die Bärte und Haare.
Foto: Matthias Cremer

Mit Anbruch der Dunkelheit verwandeln die großen Leuchtbuchstaben "Ejder Friseur – Streetwear" am Geschäftslokal von Imali Ejder die Leopoldstadt in ein Klein-Manhattan, auf Nummer 77 schneidet Beytullah Kuzu mit Wael Taifur im "Max Herren Friseur" bis abends um acht Uhr. "Österreichische Kunden sind die besten." Kuzu, gewerblicher Geschäftsführer bei "Max Herren Friseur", sitzt mit ordentlich gestutztem Oberlippenbart im Hinterzimmer des Herrensalons über einem Glas schwarzen Tees. Der 48-Jährige hat in seiner türkischen Heimat Männerfriseur gelernt, kam in den 1990er-Jahren nach Österreich und schneidet nun seit drei Jahren gemeinsam mit seinem 24-jährigen Kompagnon Wael Taifur den Männern "mehr Haare als Bärte".

Im Gespräch wird klar: Österreichische Kunden zu haben, ist offensichtlich eine Sache des Prestiges. "Türkische und arabische Männer mit ihren Sonderwünschen sind anstrengend", erklärt Kuzu, zumal Herrenfriseure schlecht entlohnt würden: "Viele Männer wollen diesen Job gar nicht machen."

Konkurrenz Barbershops

Der Friseurinnung sind die vielen in den vergangenen Jahren entstandenen Barbershops allerdings oft ein Dorn im Auge. Innungsmeister Marcus Eisinger berichtet von Mitgliederbeschwerden, weil sie sich durch die neuen Mitbewerber in Konkurrenz versetzt fühlen. Begrüßt wird daher die aktuell laufende Schwerpunktaktion der Finanzpolizei. Sie hat in den vergangenen zwölf Monaten 160 Friseursalons in Wien aufgesucht. Ausgehend von Risikoanalysen werden Salons ausfindig gemacht, bei denen eine Vor-Ort-Kontrolle durchgeführt wird. "Die Herkunft spielt dabei keine Rolle", betont Johannes Pasquali, Sprecher des Finanzministeriums. Interessant für Kontrollen sei die Friseurbranche derzeit, weil Dumpingpreise herrschen.

Und die Finanzpolizisten wurden auch fündig: 70 bis 80 Prozent der kontrollierten Betriebe seien zur Anzeige gebracht worden. Gründe dafür waren falsche und/oder fehlende Anmeldungen des Personals, Sozialleistungsbetrug, falsche Zeitaufzeichnungen oder die unkorrekte Verwendung von Registrierkassen. Doch Pasquali hält fest: Die Kontrollen betreffen alle Arten von Friseursalons, nicht allein die Inhaber von Barbershops würden Gesetzesübertretungen begehen. "Schwarze Schafe gibt es auf allen Seiten." (Anne Feldkamp, Rosa Winkler-Hermaden, 20.10.2019)