"Das Hauptinteresse der Interviewer konzentrierte sich naturgemäß auf die Parteiengespräche, das des Interviewten darauf, möglichst breit und mit ergreifenden Fotos in den Medien zu erscheinen, ohne etwas zu sagen, das den journalistischen Aufwand gerechtfertigt hätte": Günter Traxler über eine Interviewreihe von Sebastian Kurz (ÖVP).

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Message-Control funktioniert, und das völlig unabhängig von der Qualität der Message. Alle vier sonntags erscheinenden Zeitungen, "Die Presse" (gemeinsam mit der "Kleinen Zeitung"), "Kurier", "Kronen Zeitung" und "Österreich", hatten Interviews mit Sebastian Kurz im Angebot, die "Salzburger Nachrichten" (gemeinsam mit der "Tiroler Tageszeitung")und DER STANDARD lieferten Montag nach. Das Hauptinteresse der Interviewer konzentrierte sich naturgemäß auf die Parteiengespräche, das des Interviewten darauf, möglichst breit und mit ergreifenden Fotos in den Medien zu erscheinen, ohne etwas zu sagen, das den journalistischen Aufwand gerechtfertigt hätte.

Weder rücken noch kippen

Am besten brachte Conny Bischofberger das Gespräch mit Kurz auf den Punkt. Er schenkt sich stilles Mineralwasser ein, beide Hände ruhen auf dem Tisch. Während der Fragen hält er aufmerksam Blickkontakt, seine Antworten unterstreicht er mit ausholenden Gesten. In die Karten schauen lässt er sich dabei nicht. Ob die Tür zur FPÖ schon ganz zugeschlagen oder nur angelehnt ist, bleibt unklar.

Sich nicht einmal von der "Krone" in die Karten schauen zu lassen, während er seine Antworten mit ausholenden Gesten unterstreicht, das macht den geborenen Staatslenker aus. Und auch das: Nach dem Gespräch begleitet der Kurzzeit- und wohl Bald-wieder-Kanzler das "Krone"-Team über die Stiegen hinunter zum Empfang. Zuvor konnte man ihm noch das Bekenntnis entlocken: Ich lasse mich weder rücken noch kippen. Ich werde mich auch nicht großartig bewegen, ich gehe ganz aufrecht. Ich habe meine Position und werde diese auch nicht ändern. Was in einer Demokratie aber immer notwendig ist: Man muss Kompromisse eingehen.

Das ist das Ärgerliche an der Demokratie. Ärgerlich aber auch, dass die bohrende Frage der Interviewerin Wann bekennen Sie Farbe, Herr Kurz? an der Farblosigkeit der Antworten des Ungekippten weich abfederte.

Unvorstellbare Wunschlösung

Dem Journalisten des "Kurier" erging es nicht viel besser. Bei den Inhalten bleibt der ÖVP-Chef im "Kurier"-Gespräch vage: "Wir legen das breit an, es kann alles zur Sprache kommen, von der Umwelt bis hin zur Finanzpolitik." Mehr will Sebastian Kurz vorab nicht sagen, es geht für ihn jetzt vor allem darum, das Gesprächsklima nicht zu vergiften, wozu es solcher Interviews eigentlich nicht bedürfte.

Immerhin enthüllt er sich dem Blatt als Zerrissener. "Ich bin ungeduldig und will schnell vorankommen. Aber ich bin auch Realist und weiß, dass der Prozessdiesmal Monatedauern wird." Da kann man nicht immer bei den Tatsachen bleiben. Eine Minderheitsregierung ist für ihn vorstellbar, aber keine Wunschlösung. Eher richtig ist es wohl umgekehrt: Eine Minderheitsregierung wäre seine Wunschlösung, ist aber auch für ihn nicht wirklich vorstellbar. Ob er den Kollegen vom "Kurier" über die Stiegen hinunter zum Empfang begleitete, ist nicht überliefert.

Sadistische Nachfrage

Gleich zwei Redakteure der "Presse", auch sie offenbar unbegleitet, aber unverdrossen, wahrten den Ruf ihres Blattes, indem sie sich mit der einleitenden Frage Haben Sie einen Bezug zu Peter Handke? darinversuchten, den ÖVP-Obmann als Kulturmenschen darzustellen. Das hätten sie nicht tun sollen, fiel Kurz doch spontan auf sie herein. Als Österreicher bin ich irrsinnig stolz. Es ist eine beeindruckende Auszeichnung für ihn. Aber auch für das Literaturland Österreich. Sadistische Nachfrage der "Presse": Aber einen persönlichen Bezug haben Sie nicht?

Die Antwort darauf versteht man nur, wenn man sich vor Augen hält, dass der Gefragte nicht Bundeskanzler eines Literaturlandes werden will, sondern nur einer Lederhosenrepublik. Er ist ein umstrittener Geist. Aber als Literat unumstritten, und Literatur hat ja nichts mit Geist zu tun. Und auch eine spannende Persönlichkeit. Werke wie die "Publikumsbeschimpfung" sind einzigartig, und man muss kein neueres Werk kennen, um zu wissen, dass deren Autor ein umstrittener Geist, aber als Literat unumstritten ist. Einzigartig – um diesen Begriff etwas zu konkretisieren – ist übrigens auch die neulich mit dessen Genehmigung auf den Markt geworfene Biografie von Sebastian Kurz. Es geht darin um einen umstrittenen Geist.

Letztlich gelang es der "Presse" doch noch, die Alleinstellung des ÖVP-Obmannes ins rechte Licht zu rücken. Auf die Frage Hätten Sie einen Tipp für die Sozialdemokratie, sagte er: Ich habe keine Tipps für die Sozialdemokratie. Damit ist er derzeit der Einzige. (Günter Traxler, 19.10.2019)