Die Umgestaltung der Herrengasse (2016) bringt laut Berechnungen der Wirtschaftskammer eine jährliche Wertschöpfung von 1,1 Millionen Euro.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Die Umwandlung der Mariahilfer Straße in eine Begegnungszone war ein Schreckgespenst für die Wiener Wirtschaftskammer (WKW), man war vehement dagegen. Inzwischen ist die "Mahü neu" mehr als vier Jahre alt – und die Kammer hat radikal den Kurs gewechselt: Alexander Biach, in der WKW als Standortanwalt für Infrastrukturprojekte zuständig, trat am Freitag als großer Fürsprecher solcher verkehrsberuhigten Zonen auf.

Wie kommt‘s? Biach zufolge sind die regional- und volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Umwandlung in Areale zum Verweilen dermaßen positiv, dass er für zahlreiche weitere solche Zonen in der Stadt plädiert. In dem Bericht "City-Projekte" legt Biach dar, wie sich die Umgestaltung von Straßen und Plätzen im ersten Bezirk auf Kaufkraft und Jobs auswirken. Anhand bereits umgesetzter Projekte wurde hochgerechnet, welche Effekte noch in der Zukunft liegende Umgestaltungen bringen werden.

Konkret geht es um die Oberflächensanierung am Stephansplatz (2016/17). Weiters um die 2016 zur Begegnungszone umgebaute Herrengasse, sowie um die derzeit noch knapp vier Wochen laufende Umgestaltung der Rotenturmstraße – ebenfalls in eine Zone, in der Fußgänger, Radfahrer und Autos gleichberechtigt sind. Plus zwei noch in der Zukunft liegende Projekte: die Modernisierung des Michaelerplatzes und die Umgestaltung des Schwedenplatzes.

Jährliche Wertschöpfung

Laut WKW, die sich eines Rechners der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaft (GAW) zur Bewertung der volkswirtschaftlichen Effekte bediente, bringen diese Zonen nach ihrer Fertigstellung insgesamt 9,1 Millionen Euro Wertschöpfung im Jahr und 122 Jobs. Allein in der Herrengasse gebe es eine jährliche Wertschöpfung von 1,1 Millionen Euro. Alle fünf Projekte zusammen sollen für die Dauer der Bauphase zudem 277 Arbeitspläze geschaffen haben oder schaffen und dem Staat 14,8 Millionen Euro an Steuern und Abgaben bringen.

"Biach plädiert nun für die Schaffung einer "jährlichen Grätzelmillion" für jeden Bezirk, zweckgebunden für gestalterische Projekte in der Erdgeschoßzone und im öffentlichen Raum. "Es soll ein Wettstreit der Stadtzentren entstehen", sagt der Standortanwalt. Geeignete Finanzierungsmodelle seien Public-Private-Partnerships (PPP).

Parken verliere an Bedeutung

Auch in Einkaufsstraßen wie der Josefstädter Straße oder der Alser Straße seien ähnliche Umbauten denkbar, allerdings müsse die Straßenbahn als wichtiger Frequenzbringer unbedingt erhalten bleiben. "Die Parkplatzfrage" verliere in Städten hingegen "zunehmend an Bedeutung", zeigte sich Biach überzeugt.

Dieter Steup, als WK-Bezirksobmann Ansprechpartner für die von den Umbauten im Ersten betroffenen Unternehmer, stimmte zu, dass eine gute Kommunikation und die Einbindung aller Beteiligten wesentlich für das Gelingen der Umgestaltungsmaßnahmen sei. Steup erzählt, ein Burger-Anbieter, der in der Mariahilfer Straße und in der Rotenturmstraße eine Filiale habe, sei erfreut über die aktuelle Umgestaltung im 1. Bezirk. Denn: Er mache in der Mahü seit der Sanierung um 30 Prozent mehr Gewinn.

"Straße viel schöner"

Eine kleine STANDARD-Befragung von Geschäftsleuten in der seit Juni im Umbau befindlichen Rotenturmstraße zeigt, dass man sich zwar über den Baustellenlärm ("laut", "nervig") ärgert und dass es mindestens einen Monat deutlich weniger Kundenfrequenz gegeben habe. Der Umbau sei aber eine "Aufwertung", die Straße nun "viel schöner". (Gudrun Springer, 18.10.2019)