Das Wiener Weltmuseum (im Bild Direktor Christian Schickelgruber) ist mit seinen ethnographischen Sammlungen Dreh- und Angelpunkt der Debatte in Österreich. Betroffen sind aber auch viele andere Museen. Das Weltmuseum wurde kolonialkritisch überarbeitet 2017 neu eröffnet und erhielt für außergewöhnliche Leistungen im Umgang mit seinem kulturellen Erbe dieses Jahr den European Museum of the Year Award.

Foto: APA

Das barbarische Völkermorden im Zuge der europäischen Kolonialherrschaft – bis zu zehn Millionen Tote allein in Belgisch-Kongo – ist durch nichts zu reparieren. Die Auslöschung kultureller Identität hingegen, die Europa betrieb, indem es Millionen ethnografischer Objekte durch Raub sowie asymmetrischen Kauf und Tausch zusammenraffte, wäre zumindest teilweise rückgängig zu machen.

Das, so scheint es, ist nicht mehr nur Ziel aktivistischer Gruppen, die seit Jahrzehnten von europäischen Völkerkundemuseen die Herausgabe "ihrer" Objekte fordern, sondern wird zunehmend auch von den verantwortlichen Akteuren in den Museen selbst befürwortet.

Nicht nur in Frankreich und Deutschland gibt es nach dem vieldiskutierten Bericht der Wissenschafter Bénédicte Savoy und Felwine Sarr über die Notwendigkeit von Rückgaben Bewegung, auch in Österreich macht man sich verstärkt Gedanken.

Justizminister appelliert

Unter dem Titel "Das Museum im kolonialen Kontext" veranstaltete das Bundeskanzleramt jetzt eine Tagung im seit zwei Jahren kolonialkritisch wiedereröffneten Weltmuseum. Das Ergebnis: Einhellig befürworteten die Wissenschafter Restitution kolonial belasteter Objekte. Als Vertreter der Übergangsregierung nahm auch Justizminister Clemens Jabloner an der Veranstaltung teil. Jabloner, der vor seinem Ministeramt Vorsitzender des beim BKA eingerichteten Rückgabebeirats für NS-Raubkunst war, äußerte den Wunsch, dass auch der oder die künftige Kulturminister/ -in für eine auf die früheren Kontexte ausgerichtete Provenienzforschung Mittel zur Verfügung stellen werde.*

Ganz so weit wie Sarr und Savoy, die im Grunde für eine Beweislastumkehr eintreten, wonach der ethisch tragbare Erwerb von Kulturgütern festgestellt werden solle, im Zweifel aber zu restituieren wäre, wollen die Museen nicht gehen: Restitution mit Maß und Ziel, lautet ihre Devise, und zwar dann, wenn sich ein Unrechtskontext klar belegen lässt.

Von der nächsten Bundesregierung erwartet man sich allerdings einige Weichenstellungen.

  • Mehr Budget: Einig sind sich die Experten, dass es für die Erforschung der Erwerbsgeschichte der zahllosen Objekte mehr Geld und Stellen braucht. Die Quellenlage ist für die Restitutionsforscher zwar schwierig, aber gerade für die jüngere Kolonialzeit nach der Kongokonferenz 1884 dank akribischer Notizen der Kolonialverwaltung keineswegs aussichtslos.
  • Leitfaden Deutschland und die Niederlande haben bereits Leitfäden zum Umgang mit kolonial belasteten Sammlungen erstellt. Einen solchen brauchte auch Österreich. Dieser muss festlegen, wann und wohin (etwa in keine Kriegsgebiete etc.) Rückgaben stattfinden können und welche Alternativen denkbar sind: Leihgaben, Tausch, Zirkulation, Duplikate – Partnerschaften, die es in geringem Ausmaß schon jetzt gibt.
  • Strukturen Die beim BKA eingerichtete Kommission für NS-Restitution kann Vorbild zur Schaffung einer zentralen Anlaufstelle für Forderungen zu kolonial belasteten Kulturgütern werden. Die Wissenschafter appellieren zudem an die Politik, das Thema als Chance zu begreifen, um die Beziehung zu ehemals Kolonisierten generell auf neue Beine zu stellen. (Stefan Weiss, 19.10.2019)