Restaurator Klaus Wedenig und Steinmetz Ben Bolzmann sammeln Teile zusammen und restaurieren die Gräber. Es geht ihnen um Erhaltung, nicht um Perfektion.

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Eigentlich waren an dieser Stelle auf dem jüdischen Friedhof in Währing einmal vier Grabdenkmäler. Drei konnten restauriert werden, ganz rechts aber ist eine Leerstelle. Hier war Nathan Adam Arnstein begraben. Nur durch eine Notbergung konnte verhindert werden, dass sein Leichnam von der NS-Rassenkundeforschung geschändet wird.

Seit 1999 ist der Jüdische Friedhof Währing nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich.
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800 Namen von toten Juden standen damals, Anfang der 1940er-Jahre, auf einer Liste, ihre Knochen sollten ins Naturhistorische Museum gebracht werden, sagt die Historikerin Tina Walzer vom Verein Jüdisches Erbe Austria (JEA). Sie steht zwischen umgefallenen Grabsteinen, gebrochenen Gesteinsbrocken und flatterndem Absperrband – seit 25 Jahren forscht sie hier auf dem Friedhof.

Tina Walzer forscht seit Jahrzehnten am Jüdischen Friedhof Währing.
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200 Leichen sind später in Pappschachteln im Keller des Museums wieder aufgetaucht, so Walzer, 200 sind verschwunden, und bei 200 waren die Gräber nicht sicher, welches Grab sie ausheben sollten. Die menschlichen Überreste von 200 Menschen brachte die Israelitische Kultusgemeinde in Sicherheit, sie exhumierten die Leichen rechtzeitig und begruben sie am Zentralfriedhof, Tor vier.

Suche nach Nachkommen

Nathan Adam Arnstein war einer davon. Sein Grabdenkmal wurde, so vermutet es JEA-Vorstandsmitglied Werner Winterstein, jenen Arbeitern, die seinen Leichnam gerettet haben, als Bezahlung dafür übergeben. Die drei Grabdenkmäler daneben, dem von Bernhard Eskeles, dem ersten Vizegouverneur der Österreichischen Nationalbank, dem seiner Ehefrau Cäcilie Eskeles und dem von Fanny von Arnstein, jener Frau, die den Weihnachtsbaum nach Wien brachte, wurden von Wind, Wetter und Vandalismus zerstört. Der Grabstein von Fanny von Arnstein war kurz davor, umzufallen.

Erst vor wenigen Wochen stellte JEA die Restaurierung der drei Grabmäler fertig. Der Verein folgt dabei einem festgefertigten Prozedere: Zuallererst macht er lebende Nachfahren ausfindig, die müssen die Restaurierung in Auftrag geben. Sie sind es auch, die dafür bezahlen müssen. Denn: "Was wir hier gemacht haben, ist nicht förderungswürdig", sagt Winterstein. Das Washingtoner Abkommen regelt einzig, dass "Österreich zusätzliche Unterstützung für die Restaurierung und Erhaltung bekannter und unbekannter jüdischer Friedhöfe in Österreich leisten wird", im Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus verweist man darauf, dass jährlich eine Million Euro vom Bund in den Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich fließen würde. Laut Winterstein würden jedoch nur verwaiste Gräber gefördert werden können. Daher hilft der JEA den Nachkommen bei der Planung, Beratung und bei Verhandlungen mit Behörden.

Werner Winterstein ist JEA-Vorstandsmitglied.
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Dass zumindest drei Gräber der Eskeles und Arnsteins nun wieder nebeneinanderstehen – zwar schief und mit Schrammen, aber als ganze Grabmäler -, ist die Leistung des Restaurators Klaus Wedenig und des Steinmetzen Ben Bolzmann. Sie sammelten mit Seilwinden und Muskelkraft einzelne Teile zusammen. Schweres Gerät kann hier auf dem Friedhof nicht fahren, zu unsicher ist das Gelände, zu groß die Gefahr, Schaden anzurichten. Seit 1999 ist der Friedhof für die Öffentlichkeit gesperrt.

Sanfte Konservierung

"Die Tafeln waren zerschlagen, große Teile davon waren verschwunden", sagt Restaurator Wedenig, also fertigte er neue an. Möglich war das dank exakter Aufzeichnungen über die Inschriften. Prinzipiell aber geht es, das sagen alle vier, die heute auf dem Friedhof stehen, nicht darum, die Gräber zu erneuern oder sie perfekt zu machen. Es geht darum, ihnen die Würde wiederzugeben, die ihnen genommen wurde. Fehlt ein Teil, lassen sie ihn weg, auch Klebestellen werden nicht immer glattgeschliffen. "Sanfte Konservierung" nennt Wedenig das.

Das Schild von Nathan Adam Arnstein lag Mitte der 1990er-Jahre noch an seiner Grabstelle, erinnert sich Walzer, jemand versuchte später, es zu stehlen. Als Walzer eine Inventarliste für den Friedhof erstellte, fand sie es einige Meter entfernt an der Friedhofsmauer, offenbar war die Tafel dem Dieb zu schwer gewesen.

Sie wird nun zusammen mit einer Infotafel an der Stelle seines alten Grabes aufgestellt. Auch, wenn sie in zwei Teile zerbrochen ist, ist sie dann zumindest da, wo sie hingehört. (Gabriele Scherndl, 30.10.2019)