Georg Dornauer fällt wohl unter die Kategorie "unbelehrbar". Der Tiroler SPÖ-Chef kann der Versuchung, die Parteichefin öffentlich anzupatzen, nie widerstehen. Da kam ihm die Ansage von Pamela Rendi-Wagner, mit der SPÖ habe es sich nun aussondiert, gerade recht. Dornauer grätschte, mit geschwelltem Ego, hinein: Es sei jetzt nicht die Zeit, Ultimaten zu stellen.

Wieder einmal wurde die SPÖ-Chefin von einem aus den eigenen Reihen blamiert – Mission rote Selbstzerstörung einmal mehr erfüllt. Freilich hat die Kritik, wieder einmal, inhaltlich einige Berechtigung. Welche Strategie steckt hinter Rendi-Wagners Forderung exklusiver Gespräche mit der ÖVP? Glaubt sie, Sebastian Kurz so unter (Zeit-)Druck setzen zu können? Das muss unweigerlich schiefgehen. Warum sollte sich ein strahlender Wahlsieger wie Kurz von einer 22-Prozent-Partei stressen lassen?

Doris Bures, Pamela Rendi-Wagner, Peter Kaiser, Jörg Leichtfried und Rainer Wimmer nach einem Sondierungsgespräch der ÖVP mit der SPÖ.
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Oder wollen sich die Sozialdemokraten vorzeitig auf der Oppositionsbank einrichten? Ist da bereits die Handschrift der Wiener SPÖ in der Bundesgeschäftsstelle zu lesen? So zerstritten sich die Genossen im Wiener Rathaus einst bei der Nachfolge von Michael Häupl als Bürgermeister zeigten – eines hat keines der rivalisierenden Lager je infrage gestellt: Häupls Diktum, dass die SPÖ in Wien nur dann Wahlen gewinnen könne, wenn sie im Bund in Opposition sei. Häupl selbst konnte 2001, als Schwarz-Blau erstmals im Bund koalierte, der SPÖ wieder die absolute Mandatsmehrheit in der Stadt sichern, 2005 legte die SPÖ sogar noch einmal zu. Fünf Jahre später stellte die SPÖ wieder den Kanzler – und Häupl verlor in Wien an Stimmen.

Spielentscheidende Wien-Wahl

Christian Deutsch, der neue SPÖ-Bundesgeschäftsführer, kennt diese Wahlformel – und er wäre nicht Wiener Funktionär mit Leib und Seele, wenn er sie nicht im Hinterkopf hätte. Die Wien-Wahl im kommenden Jahr ist für die Wiener SPÖ spielentscheidend – und Häupl-Nachfolger Michael Ludwig hat Deutsch wohl auch an die Löwelstraße empfohlen, um rote Wiener Interessen zu wahren.

Das könnte überhaupt seine eigentliche Aufgabe sein. Denn dass Deutsch die Partei öffnen wird, wie von Parteichefin Rendi-Wagner angekündigt, darf nach seinem ersten TV-Auftritt bezweifelt werden. In der ORF-Sendung "Im Zentrum" sagte er: "Die Sozialdemokratie steht auf der Seite derer, die die Hilfe des Staates brauchen." Das war eine klassische Antwort, die vor allem SPÖ-Funktionären gefällt. Im Parteiapparat sieht man sich gern in der Rolle der Wohltäter. Eine Ansage an potenzielle Wähler war das nicht: Wer sagt schon von sich selbst, dass er hilfsbedürftig ist?

Klüger wäre, Menschen zu unterstützen, damit sie selbst vorankommen. Das wäre mit der stolzen Tradition einer Proletarierpartei durchaus vereinbar. Nebenbei hätte man auch die neue rote "Erzählung", auf die derzeit so viele in der SPÖ warten. Eine Erzählung für Wähler, nicht für Funktionäre.

Und es könnte die Grundlage für ernsthafte Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP sein. Doch diese sind offenbar in der Löwelstraße nicht erwünscht. (Petra Stuiber, 18.10.2019)