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Die Demonstranten zündeten das Hauptquartier des italienischen Energiekonzerns Enel an.

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Das Gebäude am Tag danach.

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Soldaten am frühen Samstagmorgen in Santiago.

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Gegen die Demonstranten kamen Wasserwerfer zum Einsatz.

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Auslöser für die Proteste waren die Erhöhung der Ticketpreise für den öffentlichen Nahverkehr in Santiago de Chile.
DER STANDARD

Santiago de Chile – Angesichts der sozialen Unruhen in Chile hat die Regierung den Ausnahmezustand ausgeweitet. Der zunächst für die Hauptstadt Santiago de Chile geltende Notstand wird auch in mehreren Städte im Norden und Süden des Landes verhängt, wie Innenminister Andrés Chadwick am Sonntagabend sagte. Präsident Sebastián Piñera sprach von Krieg. Indes stieg die Zahl der Todesopfer bei den Protesten auf mindestens zehn.

Fünf Leichen wurden am Sonntag in einer geplünderten und in Brand gesetzten Textilfabrik in Santiago de Chile geborgen, wie die Feuerwehr mitteilte. Am Sonntagmorgen waren in zwei Supermärkten der Hauptstadt zwei Frauen und ein Mann ebenfalls bei Bränden nach Plünderungen umgekommen.

Weitere zwei Tote wurden in der ausgebrannten Halle einer Baumarktkette im Süden Santiagos aufgefunden, teilte Bürgermeisterin Karla Rubilar mit.

Außenministerium warnt

Da weiterhin mit Eskalationen zu rechnen ist, empfiehlt das Außenministerium in Wien "bis auf weiteres, insbesondere in den betroffenen Gebieten, nur wenn nötig und mit besonderer Umsicht auf die Straße zu gehen und sich über lokale Medien (Fernsehen und Radio, eventuell Mittelwelle) und einschlägige soziale Netzwerke (Twitter, Instagram) über die aktuelle Lage auf dem Laufenden zu halten". Das Außenamt rät außerdem dazu, Menschenansammlungen zu meiden. Im ganzen Land gebe es ein "erhöhtes Sicherheitsrisiko" (Sicherheitsstufe 2).

Die Proteste waren durch eine Erhöhung der Ticketpreise für den öffentlichen Nahverkehr in Santiago de Chile ausgelöst worden. Nach ersten Zusammenstößen am Freitag gab es auch am Wochenende gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Über 60 Supermärkte wurden in verschiedenen Städten geplündert und mindestens sechs in Brand gesetzt, 78 U-Bahn-Stationen in Santiago wurden beschädigt.

"Wir befinden uns im Krieg gegen einen mächtigen, unversöhnlichen Feind", sagte Präsident Piñera am Sonntagabend. Der Gegner sei bereit, grenzenlos Gewalt und Kriminalität einzusetzen. Alle Chilenen müssten sich jetzt zusammenschließen.

Innenminister Chadwick kündigte eine Ausweitung des Ausnahmezustandes auf Antofagasta, Valdivia, Valparaíso, Talca, Chillán, Chillán Viejo, Temuco, Padre Las Casas und Punta Arenas an. Die Gewalteskalation werde organisiert, um Chile zu schaden, sagte der Minister. Eine nächtliche Ausgangssperre in Santiago de Chile wurde verlängert. Am Flughafen der Hauptstadt fielen hunderte Flüge aus.

Rund 9.400 Soldaten waren nach Angaben des Verteidigungsministeriums im Einsatz. Am Sonntag wurden bei gewaltsamen Protesten 17 Polizisten verletzt. Insgesamt wurden während der Protestwelle nach Angaben der Staatsanwaltschaft 1.554 Menschen festgenommen. Es ist das erste Mal seit dem Ende der Diktatur unter General Augusto Pinochet 1990, dass in der chilenischen Hauptstadt das Militär patrouilliert.

General Javier Iturriaga del Campo verteidigt den Armeeeinsatz.

Wegen der Proteste sind bereits rund 1.500 Menschen festgenommen worden. Die Zahl der Todesopfer stieg auf mindestens zehn. Die UN-Menschenrechtskommissarin und ehemalige chilenische Präsidentin Michelle Bachelet hat am Montag unabhängige Untersuchungen bezüglich der "verstörenden Vorwürfe über exzessiven Einsatz von Gewalt durch Sicherheits- und Militärkräfte" gefordert und rief beide Seiten zum Dialog auf.

Präsident Piñera hatte die Fahrpreiserhöhung am Samstag angesichts der Proteste ausgesetzt. Die Unruhen hielten aber an. In ihnen entlädt sich auch Wut über soziale Ungleichheiten in dem Land, das politisch wie wirtschaftlich als eines der stabilsten Südamerikas gilt. (red, APA, AFP, 21.10.2019)