Relativ neu ist, dass politische Ideenfindung von den Parteien abgekoppelt wird und an hochbezahlte Berater und deren Unternehmen ausgelagert wird.

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Politische Gestaltung in einer repräsentativ angelegten Parteiendemokratie stellt man sich etwa so vor: Engagierte Bürger treten einer Gesinnungsgemeinschaft bei, informieren sich dort über die grundsätzliche Ausrichtung "ihrer" Partei und tragen umgekehrt ihre Anliegen in die Parteiarbeit hinein. Sie wählen die besten Köpfe aus ihren Reihen in höhere Funktionen, in diesen Köpfen und Funktionen werden die Ideen aufkonzentriert. Die allerbesten, allerideenreichsten Köpfe werden dann als Kandidaten für die allerhöchsten Ämter präsentiert und führen schließlich die Partei – bei erfolgreicher Kandidatur für öffentliche Ämter auch das Land.

Das hat zumindest in den Kreisky-Jahren – der Sozialdemokrat bürgerlicher Herkunft hat von 1970 bis 1983 eine SPÖ-Alleinregierung geführt – noch gegolten. Damals hat man versucht, diese demokratischen Ideale auch entsprechend rechtlich abzubilden: So entstanden die aus öffentlichen Mitteln kräftig geförderten politischen Bildungseinrichtungen der Parteien, die der jeweiligen Gesinnungsgemeinschaft politische Grundlagenforschung und den Funktionären politisches Handwerkszeug liefern sollten. Das tun sie in einem gewissen Maße bis heute.

Aber den Parteien und ihrem Spitzenpersonal reicht das nicht.

Staunend liest man von Beraterverträgen und Sonderhonoraren für allerlei politisches Hilfspersonal, das bei einem Kreisky nicht einmal über die Türschwelle gekommen wäre.

Kostenfreie Expertise

Kreisky verstand es nämlich, nicht nur das Ohr am Volk zu haben – er war als Person derartig gewinnend, dass sich reihenweise Experten fanden, die ihre Expertise ebenso freudig wie kostenfrei in diversen Kommissionen eingebracht haben, die lose an die SPÖ und später lose an die Regierung angedockt waren. Bei der damals oppositionellen Volkspartei gab es ähnliche Modelle, politischen Rat aus Wissenschaft und Wirtschaft in die Parteiarbeit zu holen. In der FPÖ war es ausgerechnet der ehemalige SS-Mann und langjährige Parteichef Friedrich Peter, der mit dem Atterseekreis den zu jener Zeit liberalsten Denkerklub für seine Partei rekrutieren konnte.

Klarerweise hat man sich für Wahlkämpfe spezifisches Wissen zugekauft: Ohne die beim Ifes angesiedelte demoskopische Kompetenz von Karl Blecha und Ernst Gehmacher sowie die Beauftragung der seinerzeit besten Werbeagenturen hätte auch Kreisky sich schwergetan. Und er hat – ebenso wie Vorgänger Josef Klaus (ÖVP) und Nachfolger Fred Sinowatz (SPÖ) – ein kleines, hochqualifiziertes und relativ bescheiden bezahltes Team als persönlichen Stab um sich geschart.

Mehr aber nicht.

Jüngste Entwicklungen

Dass man sich nämlich dutzendweise Zuarbeiter mit schamlos dotierten Sonderverträgen ins Kanzleramt oder die Ministerien holt, ist eine Entwicklung der jüngsten Vergangenheit.

Relativ neu ist auch, dass politische Ideenfindung von den Parteien abgekoppelt wird und an hochbezahlte Berater und deren Unternehmen ausgelagert wird. Da geben einander dann Coaches und Spindoktoren die Türklinke der jeweiligen Parteizentrale in die Hand – und am Ende weiß nicht einmal die mittlere Funktionärsschicht (geschweige denn die vielbeschworene Parteibasis), wofür die jeweilige Gesinnungsgemeinschaft steht.

Das ist es übrigens, was Max Lercher der Sozialdemokratie vorgeworfen hat. Nunmehr weiß man, dass auch er Teil dieses Systems ist. (Conrad Seidl, 20.10.2019)