Das muss ein Albtraum sein: in einer Plastikfolie lebendig begraben zu sein. Ist es ein Albtraum? Leider nein.

In dieser realen, misslichen Lage befindet sich Miles Elliot am Beginn von "Living With Yourself", und das, nachdem er sich und sein gesamtes Erspartes einer Organisation anvertraut hat, die eigentlich alles in seinem Leben hätte besser machen sollen.

Plastik, Folie, Grab

Miles brauchte das "Top Happy Spa", weil Job und Beziehung drohten, den Bach runterzugehen. Das ist zumindest vorerst kein Thema mehr, jetzt hat er andere Probleme – Plastik, Folie, Grab.

Miles hat keine Kraft mehr.
Foto: Netflix

Aber von Anfang an: Vor der Folie war die Fliege, und die beobachtet Miles – besser gesagt, er starrt sie an. Lange. Sehr lange. Miles hat keine Kraft mehr. Die Arbeit ödet ihn an, das Leben langweilt ihn. Die Fliege zerklatscht er: gern geschehen.

Den Tipp eines Freundes vom mysteriösen Top Happy Spa nimmt er in letzter Not an. Die Behandlung, vorgetragen von zwei asiatischen Wissenschaftern, klingt so utopisch wie vielversprechend: Wiederherstellung der DNA. Zum Gelingen reicht es, ein ominöses Grundnahrungsmittel zu sich zu nehmen, was zur Folge hat, dass sich das Original auflöst und die bessere Kopie fortan ein glückliches Leben lebt. Unschlagbar.

Trailer zur ersten Staffel von "Living With Yourself".
Netflix

Leider läuft etwas schief. Der "alte" Miles löst sich nicht auf, sondern zerreißt die Folie und muss die ungute Entdeckung machen, dass es jetzt zwei Miles gibt: den perfekten und ihn, den fehlerhaften. Die Beschwerdestelle von Top Happy Spa ist zu keinen Zugeständnissen bereit, Refundierung ist nicht vorgesehen: zwanzig Prozent Rabatt, wenn Sie neue Kunden empfehlen.

Miles und Miles, Paul Rudd spielt beide.
Foto: Netflix

Das Original macht sich zunächst aus dem Staub und überlässt dem Klon den Platz, aber dann entwickeln sich die Dinge doch ganz anders, und wir dürfen uns in insgesamt acht, knapp 30-minütigen Folgen fragen, wen wir lieber mögen – die strahlende Kopie oder den ehrlichen Loser.

Der strahlende Miles mit seiner überraschten Frau Kate (Paul Rudd und Aisling Bea).
Foto: Netflix

"Living With Yourself" wurde vom langjährigen Daily-Show-Produzenten Timothy Greenberg kreiert und geschrieben, Regie führten Jonathan Dayton und Valerie Faris von "Little Miss Sunshine". Paul Rudd ("Avengers: Endgame", "Ant-Man and the Wasp") spielt die Wirrnisse des doppelten Miles im temporeichen Wechsel zwischen Arroganz und neurotischer Nervosität.

Kritik an unheimlichen Nebenwirkungen von Selbstoptimierungsinstitutionen kommt. Die vier Stunden sind gut zum Durchschauen geeignet. Wir müssen uns wieder mehr liebhaben – mit all unseren Fehlern. (prie, 22.10.2019)