Walter Klepetko ist Thoraxchirurg und Leiter der Universitätsklinik für Chirurgie an der Medizinischen Universität Wien. Er hat die Lungentransplantation in Wien aufgebaut und die Universität als Ausbildungszentrum etabliert.

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Die Organtransplantation selbst ist nur ein Teil einer umfassenden Logistik, die für Transplantationen im Allgemeinen Voraussetzung ist.

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Der "Süddeutschen Zeitung" wurden Unterlagen zugespielt, die den Chefchirurgen des AKH Wien belasten. Walter Klepetko, seit Juli 2019 Leiter der Universitätsklinik für Chirurgie der Med-Uni Wien, wird vorgeworfen, er habe sich in den vergangenen Jahren bei Lungentransplantationen (LUTX) für ausländische Patienten finanziell bereichert. Klepetko hat die technisch anspruchsvolle Station in Wien aufgebaut und die Med-Uni zu einem international renommierten Zentrum ausgebaut, das europaweit Chirurgen in dieser Disziplin ausbildet.

Ein zweiter Vorwurf aus der "SZ" betrifft einen aktuellen Fall: Klepetko habe bei einer griechischen Patientin, der innerhalb von vier Stunden eine Lunge transplantiert wurde, gegen Organvergaberichtlinien von Eurotransplant verstoßen. Eurotransplant ist eine Stiftung, der acht europäische Länder angehören – ein Netzwerk, das die Organvergabe in den Mitgliedsländern managt. Dazu gehören eine Liste von Patienten und Patientinnen, die ein Organ benötigen, und eine Liste der verfügbaren Spenderorgane und deren Verteilung.

Eurotransplant-Präsident ist derzeit der deutsche Herzchirurg Bruno Meiser, der am Klinikum Großhadern das Transplantationszentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München leitet; er wird in der "SZ" zitiert. Meiser hatte sich 2015 erfolglos als Rektor der Med-Uni Wien beworben. Im Eurotransplant-Board sitzen weitere AKH-Chirurgen, darunter der Herzchirurg Günther Laufer, die Nierentransplantationsspezialistin Gabriela Berlakovich.

STANDARD: Die "Süddeutsche Zeitung" greift Sie und die AKH-Lungentransplantation an. Hat Sie das überrascht?

Klepetko: Es nimmt einen mit, wenn man als Person diskreditiert wird. Was in den vergangenen Tagen verbreitet wurde, war extrem schmerzlich. Nicht nur ich, sondern die LUTX wurden verunglimpft. Die "Süddeutsche Zeitung" schreibt ja selbst, dass der Journalistin diese Unterlagen zugespielt wurden. Es sind höchst vertrauliche Informationen, die nur einem sehr beschränkten Kreis von Personen zugänglich sind. In jedem Fall war es eine illegale Datenweitergabe. Dagegen werden wir uns wehren. Wir leisten an der Med-Uni Wien hervorragende und sehr saubere Arbeit.

STANDARD: Auch im aktuellen Fall einer griechischen Patientin, die innerhalb von vier Stunden ein Spenderorgan bekommen hat?

Klepetko: Ja, es geht darum, den Hintergrund zu verstehen. Die Medizinische Universität Wien hat sich in den letzten Jahren als ein weltweit anerkanntes Ausbildungszentrum für LUTX etabliert. Das heißt: Wir bilden hier in Wien Kollegen und Kolleginnen aus Ländern aus, in denen es diese Option für Patienten nicht gibt. So ein Ausbildungsprogramm gab es auch in Griechenland, und die Patientin, die jetzt zum Stein des Anstoßes wurde, sollte in Athen transplantiert werden. Sie hat eine akute, sich schnell verschlechternde Lungenerkrankung und stand seit Juni 2019 auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Dann gab es ein Organ aus Griechenland, doch der Fall war so komplex, dass die griechischen Kollegen uns gebeten haben, die Transplantation mit dem in Griechenland gespendeten Organ in Wien durchzuführen. Natürlich haben wir Ja gesagt. Das Risiko, dass diese erste LUTX in Griechenland scheitern würde, war zu hoch. Patientin und Organ kamen nach Wien, doch selbstverständlich mussten wir das Organ über Eurotransplant registrieren. Und genau aus diesem formalen Vorgang wurde dieser Skandal inszeniert.

STANDARD: Eurotransplant-Chef Bruno Meiser argumentiert in der "SZ" mit Solidarität. Griechenland ist nicht im Eurotransplant-Netzwerk, zu dem nur Deutschland, Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Ungarn, Slowenien und Kroatien gehören. Griechenland eben nicht.

Klepetko: Seit 20 Jahren haben wir Kooperationen mit benachbarten Ländern aufgebaut. Auch wenn sie nicht in Eurotransplant waren, gab es sogenannte Twinning-Vereinbarungen, also Verträge zur Zusammenarbeit mit Ländern außerhalb des Eurotransplant-Raums. Die Durchführung einer Transplantation ist ja viel mehr als das Einsetzen eines Organs. Da geht es darum, eine Infrastruktur für die Spenderorganentnahme zu schaffen, die Suche und den Transfer zwischen Spender und Empfänger zu organisieren und das Organ dann auch innerhalb sehr kurzer Zeit zur Verfügung zu haben. Die Transplantation selbst ist medizinisch-technisch höchst herausfordernd, gerade auch, was die Kapazitäten der intensivmedizinischen Nachbetreuung betrifft. Der Vorteil davon: Je mehr Länder das können, umso mehr Organe stehen zur Verfügung. Das ist langfristig auch ein Vorteil für Eurotransplant, weil damit mehr Patienten und Patientinnen versorgt werden können.

STANDARD: Aber was ist mit Meisers Vorwurf?

Klepetko: Er ist unrichtig. Wir haben dafür gesorgt, dass das Organ nach Eurotransplant-Richtlinien registriert und angeboten wird, wir haben dann schnell reagieren können, weil wir davon wussten. Es wäre absurd gewesen, wenn das Organ jemandem anderen transplantiert worden wäre, zumal die Patientin ja schon seit Juni 2019 auf der Warteliste stand. Die griechische Transplant-Organisation hat deshalb einen scharfen Protestbrief an Eurotransplant geschrieben. Mittlerweile hat Eurotransplant den Griechen gegenüber versichert, dass es legal war und die Med-Uni einen Informationsvorsprung hatte.

STANDARD: Es gibt auch den Vorwurf, dass an der Med-Uni zu viele ausländische Patienten behandelt wurden. Was sagen Sie dazu?

Klepetko: Der Aufbau einer Transplantationseinheit dauert Jahre. Bis Kliniken und Transplant-Units selbstständig agieren können, haben wir in Wien deshalb auch viele Patienten aus dem Ausland betreut. Sie werden bürokratisch als Sonderklassepatienten geführt. Die Kosten wurden von den jeweiligen nationalen Versicherungen getragen und nie von Patienten selbst bezahlt. In den letzten vier Jahren lag die mittlere Wartezeit für Österreicher kürzer als für ausländischen Patienten. Gleichzeitig ist die Sterberate auf der Warteliste für österreichische Patienten beim letzten Audit bei 1,3 Prozent gelegen. Es wird kaum möglich sein, das noch zu verbessern.

STANDARD: Trotzdem besteht der Vorwurf, Sie hätten sich an diesen ausländischen Sonderklassepatienten bereichert. Es kursiert die Summe von 17.000 Euro pro Transplantation.

Klepetko: Zunächst möchte ich festhalten, dass ich selbst seit Jahren nicht mehr selbst transplantiere, weil ich die Leitung der Transplantation an meinen Nachfolger Konrad Hoetzenecker weitergegeben habe. Ich trage aber ganz klar noch die Verantwortung mit. Zudem habe ich selbst nie dieses Geld bekommen. Die Summe teilt sich auf in 65 Prozent ärztliche Honorare des Teams, zwölf Prozent Infrastrukturbeitrag für das AKH und lediglich 20 Prozent für den Abteilungsleiter. Damit wurde aber auch die gesamte Betreuung während und nach der Transplantation und eigentlich auch die langfristige spätere Betreuung abgegolten. Das erklärt, warum wir bei ausländischen Patienten und Patientinnen einen höheren Satz verrechnet haben als bei inländischen. Die Höhe der Summe wurde im Voraus vereinbart. Sämtliche Zahlungen liefen ausschließlich über das AKH und waren vollkommen transparent.

STANDARD: Wie machen Sie jetzt weiter?

Klepetko: Wir haben uns in den letzten Tagen sehr bemüht, gegen den Vernichtungsjournalismus der "SZ", der leider in unkritischer Weise von vielen anderen Medien einfach übernommen wurde, anzukämpfen. Eine endgültige Beurteilung unseres Handelns wird aber erst möglich sein, wenn die Ergebnisse einer externen internationalen Prüfung vorliegen werden. Auf unseren eigenen Wunsch soll ein solches sehr rasch, vielleicht noch innerhalb dieser Woche organisiert werden.

STANDARD: In der Transplantationsmedizin gibt es immer den Vorwurf der Bevorzugung, also einer Art verdeckten Organhandels – auch schon bei Niki Lauda, in dessen Betreuung Sie involviert waren. Wie können sich Transplantmediziner wappnen?

Klepetko: Mit klaren Richtlinien, die sich in erster Linie nach der Dringlichkeit richten. Zudem muss das Organ in der Größe und Blutgruppe passen, das ist bei Lungentransplantationen, die aufwendiger als Nieren und Herzen sind, sehr wichtig. Zudem werden all diese Entscheidungen stets im Team getroffen und penibel genau dokumentiert. Auch das gewährleistet Objektivität bei der Zuteilung von Organen. Die LUTX hält diese Standards weiter hoch.

STANDARD: Wie geht es der griechischen Patientin?

Klepetko: Zum Glück gut. Bei Intrigen wie diesen wird vor allem Vertrauen zerstört. Das wollen wir wiederherstellen. Dafür werde ich mich mit aller Kraft einsetzen. (Karin Pollack, 21.10.2019)