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Zahlreiche Führerscheine wurden rund um die Hanfmesse in Niederösterreich abgenommen.

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Von einer "Jagd auf die Teilnehmer" sprachen die Veranstalter der Hanfmesse Cultiva, die von 11. bis 13. Oktober in der Eventpyramide Vösendorf stattfand. Von 184 beeinträchtigten Lenkern, die am Messewochenende aus dem Verkehr gezogen werden konnten, sprach die Landespolizei Niederösterreich. Gegenüber dem STANDARD spricht nun ein Messeteilnehmer – er ist praktizierender Allgemeinmediziner in Villach – von Schikanierung und Herabwürdigung durch die Polizei.

"Jeder stand unter Generalverdacht", sagt Anton Pruntsch. Er ist auch Vertrauensarzt der Arge Canna, einem Verein, der Patienten unterstützt, die Cannabis-Medikation anwenden. "Es war entwürdigend, wie man mich verdächtigte, ein Junkie zu sein, nur weil ich an einer Messe teilgenommen habe", sagt er. Auch sein Auto wäre gefilzt worden.

In der Öffentlichkeit entblößen

Die Vorwürfe der Veranstalter wiegen schwer: Frauen hätten sich in der Öffentlichkeit entblößen müssen, Aussteller wären vor Passanten zur Urinabgabe gezwungen worden, Beamte hätten Messebesucher beschimpft, Diabetiker sollen stundenlang festgehalten worden sein.

Dem STANDARD liegt ein Schreiben vor, in dem ein Diabetiker schildert, wie er drei Stunden lang in einer Lagerhalle in einem Hinterhof festgehalten wurde, obwohl er auf seine Unterzuckerung hingewiesen hätte. Er schreibt unter anderem von Wetten, die Polizeibeamte darüber abgeschlossen hätten, ob Besucher einen positiven THC-Test haben würden oder nicht. Ihm wäre der Führerschein abgenommen worden, obwohl er bereits im Vorfeld ein Rezept vorlegte, das bestätigt, dass er aus medizinischen Gründen Dronabinol, also therapeutisches Cannabis, nehmen müsse.

Mehr Polizei seit zwei Jahren

Harald Schubert ist Geschäftsführer der Cultiva GmbH, die die Messe veranstaltet. Ihm zufolge habe man Einzelfälle wie den des Diabetikers noch nicht ausreichend überprüfen können, man arbeite aktuell an einer Systematisierung der vielen Fälle, die her angetragen wurden. Fest stehe, dass seit zwei Jahren eine starke Polizeipräsenz rund um die Messe zu beobachten sei, die seit zwölf Jahren stattfindet. Im Vorjahr wurden 111 Führerscheine vorläufig abgenommen, heuer waren es 161, gibt die Landespolizei Nieder österreich an.

Auch Rainer Schmid, wissenschaftlicher Leiter der Drogenberatungsstelle Check it, war auf der Messe: "Ich geh’ davon aus, dass man da in erster Linie chronische Patienten erwischt hat." Er spricht von "drogenpolitischem Aktionismus". Medikamente wie Dronabinol könnten zwar die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen, sagt Schmid, doch gerade bei chronischen Therapien wäre die Beeinträchtigung nicht mit der des Kiffens vergleichbar. Viele Patienten könnten auf Dronabinol "sehr wohl Auto fahren".

Keine offiziellen Beschwerden

Ein Sprecher der Landespolizei Niederösterreich betont, dass rund um die Cultiva fünf Ärzte anwesend waren, denen vorbehalten sei, wie sie die Fahruntauglichkeit feststellen. Die anwesenden Polizisten hätten einzig aufgrund "ihrer Einschätzung, ob Symptome vorliegen", Besucher dem Arzt vorgeführt.

Außerdem sei eine sogenannte Untersuchungsstraße errichtet worden, also ein abgeschlossener Bereich, in dem die medizinischen Untersuchungen durchgeführt wurden. Bezüglich des Falles des Diabetikers sagt der Sprecher: "Wenn es zur Anhaltung kommt und Symptome vorliegen, dann wird der zum Arzt gebracht und untersucht."

Abgesehen davon hätte jeder, der sich unsachlich behandelt fühlte, die Möglichkeit, Beschwerde bei der Polizei einzureichen oder im Verwaltungsstrafverfahren Einspruch zu erheben. Doch "bis dato ist keine offizielle Beschwerde eingegangen". (elas, 21.10.2019)