Toni Giger bittet um etwas Geduld. Auch nach Maier sei Hirscher nicht sofort eingesprungen. Der Sportdirektor schraubt an den Strukturen, ist auf der Suche nach neuen Konzepten für die temporären Sportstätten und wünscht sich eine Speedstrecke zum Trainieren in Österreich.

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STANDARD: Kann man nach Hirschers Rücktritt den hohen Erwartungen im Land gerecht werden?

Giger: Seinen Platz kann auch international niemand einnehmen. Diese dominante Rolle war wirklich besonders. Nun wird es wichtig sein, dass sich die Mannschaft besser auf unterschiedliche Verhältnisse und Kurssetzungen einstellt. Wir müssen insgesamt mehr Substanz aufbauen und mehr Konstanz bei denen erzielen, die schon auf dem Stockerl standen. Und auch im Riesentorlauf wieder stärker werden.

STANDARD: Der Riesentorlauf ist die schwierigste Disziplin, neben Hirscher konnte vergangene Saison nur noch Manuel Feller vorn mitmischen. Wie sieht die Verbesserungsstrategie aus?

Giger: Die schwierigste Disziplin ist immer die, in der man momentan nicht so gut performt. Das verschiebt sich immer wieder. Wir haben gute Fahrer, und es ist gut gearbeitet worden. Jetzt müssen wir das in den Rennen umsetzen. Wir haben vor allem im Technikbereich noch kleinere Trainingsgruppen gebildet und die Trainingsqualität damit erhöht.

STANDARD: Der Leistungsdruck lastet nun auf anderen Schultern. Kontraproduktiv oder förderlich?

Giger: Im Grunde sollten es alle Athleten als Chance sehen, sich vorn etablieren zu können. Das muss auch die Stimmung in der Mannschaft sein. Meist ist es so, dass nicht gerade der, mit dem als Erstem gerechnet wurde, dann auch nachrutscht. Momentan sind Kristoffersen und Pinturault die Favoriten. Doch der Skisport bietet auch Überraschungen. Vielleicht überrascht ja auch ein Österreicher.

STANDARD: Kann es von Vorteil sein, dass nun andere die Favoriten sind und liefern müssen?

Giger: Genau so ist es, die Erwartungshaltung ist mit Sicherheit bei den zwei Herren am größten, weil jeder damit rechnet, dass sie die großen Dominatoren werden.

STANDARD: Gibt es nach Hirscher frei werdende Ressourcen und mehr Unterstützung für andere?

Giger: Ich habe mit Feller genau darüber gesprochen. Er hat mir gesagt, dass er in den letzten Jahren schon ein super Umfeld hatte. Er hat sich im letzten Jahr gut entwickelt, ist konstanter geworden, hat in schwierigen Situationen seine ungestüme Art schon manchmal abgelegt und ist gewisse Schlüsselstellen mit Köpfchen gefahren. Wenn er den nächsten Schritt macht, kann er durchaus eine gute Rolle spielen.

STANDARD: Gibt es Hoffnung, dass die erfolgsverwöhnte Skination bald einen neuen Helden bekommt?

Giger: Als Hermann Maier aufgehört hat, ist auch nicht gleich Hirscher eingesprungen. Er ist zu Beginn oft ausgefallen, musste sich auch erst entwickeln. Beeindruckend waren seine Motivation und Wettkampfstärke, er hat eine exzellente Arbeitseinstellung und ein großes Talent vereint.

STANDARD: Wie interpretieren Sie Ihre Rolle als Sportdirektor?

Giger: Meine Aufgabe ist, mittel- und langfristig Voraussetzungen zu schaffen, um die Leistung unserer Athletinnen zu verbessern, um eine Chance zu haben, die Nase vorne zu haben. Der alpine Skisport hat keine Sportstätten, wir betreiben unseren Sport auf für den Tourismus erbauten und von ihm betriebenen Flächen. Wir haben Skigebiete und Seilbahnbetreiber, die uns enorm unterstützen, damit ist dieses Thema gar nie so aufgefallen. Aber weil sich die Pistenqualität und -Beschaffenheit in den letzten Jahrzehnten von einer Publikumspiste wegentwickelt hat und sich die Anforderungen an die Sicherheit weiterentwickelt haben, wird es immer aufwendiger, temporäre Sportstätten aufzubauen. Es braucht daher in Kombination mit dem Rückzug der Gletscher innovative Konzepte, dem entgegenzuwirken. Wir hätten gerne ab Mitte September 2020 wieder eine Speedstrecke in Österreich, auf der wir trainieren können. Eine solche gab es die letzten Jahre nicht mehr. (Thomas Hirner, 22.10.2019)