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Wie die Alten, so die Jungen: Wirtschaftlicher Erfolg hängt hierzulande zu einem guten Teil vom Elternhaus ab.

Foto: Ingo Wagner/dpa - Bildfunk

Das Millionärsleben bleibt für die allermeisten Tellerwäscher – oder ihre modernen Entsprechungen – ein schöner Traum. Üblicherweise reicht für arme Leute ein Leben bei weitem nicht aus, um auch nur in etwas bessere Verhältnisse vorzustoßen. Nachkommen aus Familien, die zu den zehn Prozent mit den niedrigsten Einkommen zählen, brauchen in Österreich im Schnitt voraussichtlich fünf Generationen lang, um das Durchschnittseinkommen zu erreichen.

Warum Aufstiegsgeschichten hierzulande so schwerfallen, analysiert eine neue Studie im Auftrag des Sozialministeriums, die dem STANDARD vorliegt. Während Einkommen in Österreich relativ ausgewogen verteilt sind, ist die "soziale Mobilität" niedriger als in vielen anderen Industriestaaten, schreiben die Autoren Michael F. Förster und Sebastian Königs von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Teil 1: "Ein beträchtlicher Teil des sozioökonomischen Erfolgs oder Misserfolgs wird von einer zur nächsten Generation vererbt."

Beispiel: Nur 15 Prozent der Söhne von Vätern aus dem untersten Einkommensviertel steigen im Haupterwerbsalter in das oberste auf. Wer bereits in diese Gruppe hineingeboren ist, landet hingegen mit einer Wahrscheinlichkeit von 42 Prozent wieder dort.

Die Verhältnisse sind überdies stärker festgefahren als noch vor zehn Jahren. Schlechtverdiener haben geringere Aufstiegschancen, Gutverdiener ein niedrigeres Absturzrisiko als früher. Für Menschen im untersten Einkommensfünftel ist die Chance, innerhalb eines Vierjahreszeitraums in dieser Gruppe "picken" zu bleiben, seit 2008 um 19 Prozentpunkte gewachsen, im obersten Fünftel nahm sie um neun Prozent zu.

Aufstieg in Österreich besonders schwer

Nicht überall ist die Durchlässigkeit zwischen oben und unten so gering wie hierzulande. In Dänemark, dem positiven Spitzenreiterland, braucht der soziale Aufstieg vom untersten Zehntel bis zum Durchschnittseinkommen nur zwei statt der eingangs zitierten fünf Generationen in Österreich, das schlechter als der OECD-Schnitt liegt. Die Mehrheit der westeuropäischen Staaten schneidet besser ab.

Ein Mechanismus hinter dem Phänomen: Das Einkommen hängt von der Position im Berufsleben ab, und diese wiederum vom Status der Vorfahren. Die Wahrscheinlichkeit für Kinder von Führungs- und Fachkräften, einmal selbst in derartigen Positionen tätig zu sein, ist 3,3-mal höher als für Arbeiterkinder.

Vermögen hängt vom Opa ab

Für die Chancen, Vermögen anzuhäufen, gilt der gleiche Effekt, wie die Nationalbank-Experten Pirmin Fessler und Martin Schürz in Teil 2 der Studie zeigen. Markante Zahl: Wer einen Akademiker als Großvater hat(te), kommt laut Umfragedaten der Bank im Mittel auf ein Haushaltsvermögen von rund 470.000 Euro netto. War der Opa Fachkraft, sind es lediglich 220.000 Euro, im Falle einer Hilfskraft noch etwas weniger.

Als weiteren Faktor nennen die OECD-Forscher das Bildungsniveau, auch hier würden die Chancen stärker vererbt als in vergleichbaren Staaten. Allerdings lasse sich diese Feststellung nur für die heutigen Erwachsenen und deren Eltern treffen und nicht für das System im aktuellen Zustand, so die Einschränkung. Außerdem ist die Expertise zur Bildung auch aus einem anderen Grund umstritten: Kritiker monieren, dass die OECD verschiedene Abstufungen des heimischen Systems ignoriere und deshalb die Aufstiegschancen unterschätze.

Die Nationalbank-Daten bieten einen unkonventionellen Indikator für die Bildungsfrage: Wer in einem Haushalt mit mehr als hundert Büchern aufgewachsen ist, erfreut sich heute über ein doppelt so hohes Nettovermögen, als wenn die Eltern maximal zehn Bücher besessen haben.

Experten empfehlen Tabubrüche

Wenn Menschen aus schwachen Verhältnissen nicht die gleichen Chancen haben, Talente zu entfalten, sei das nicht nur ungerecht, sondern auch schlecht für das Wirtschaftswachstum, folgern die OECD-Forscher. Sie empfehlen, in vier Bereichen anzusetzen.

  • Kleinkinder: Österreich hat zwar die Ausgaben für Bildung und Erziehung von Kleinkindern hochgefahren, gibt aber immer noch deutlich weniger aus als die nordischen Staaten oder Korea. Während hierzulande etwa ein Viertel der unter Dreijährigen in Betreuung sind, beträgt die Quote in Frankreich oder Skandinavien 50 Prozent und mehr.
  • Schulen: Die Experten loben die Ausbildungsgarantie und das System der Lehre, empfehlen aber mehr Hilfe für Brennpunktschulen und einen Tabubruch: Die frühzeitige Trennung der Kinder in Gymnasiasten und Hauptschüler gehöre hinterfragt.
  • Frauen: Über längere Zeiträume haben Frauen geringere Aufstiegschancen und größere Abstiegsrisiken als Männer. Frauen müssten stärker unterstützt werden, um nicht bloß Teilzeit zu arbeiten: Das reiche von besserer Kinderbetreuung bis zu anderen Anreizen im Steuer- und Sozialsystem.
  • Vermögen: Der Sozialstaat biete relativ guten Schutz vor Einkommenseinbrüchen, doch die stark auf eine Oberschicht konzentrierten Vermögen beeinträchtigten die Chancengleichheit, schreiben die OECD-Experten – zumal eine Erbschaftssteuer hierzulande fehlt.

Letzteres liegt nicht zuletzt an der künftigen Kanzlerpartei ÖVP. Geht es nach den Daten der Nationalbank, ist der türkise Widerstand aus strategischer Sicht logisch. Demnach verfügen ÖVP-Sympathisanten, zumindest 2017 vor der Übernahme der Partei durch Sebastian Kurz, mit etwas über 180.000 Euro im Median über das klar höchste Nettovermögen. Anhänger von Grünen, Roten und Neos liegen zwischen 100.000 und 80.000 Euro, die FPÖler kommen nur auf die Hälfte – und repräsentieren in dem Fall wirklich die Partei des kleinen Mannes. (Gerald John, 21.10.2019)