Sie ist das Gesicht des Wahlerfolgs ihrer Partei: Mit ihrem kämpferischen Auftreten im Wahlkampf vermochte Regula Rytz, die Chefin der Schweizer Grünen, Menschen weit über die grüne, urbane Stammwählerschaft hinaus zu mobilisieren.

Regula Rytz könnte die erste grüne Ministerin der Schweiz werden.
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Natürlich spielten den Grünen auch die weltweiten Klimaproteste in die Hände, doch die Partei ist in der Schweiz schon seit einigen Jahren im Aufwind. Sie haben seit 2015 bei Wahlen in den Kantonen so viele Sitze hinzugewonnen wie keine andere Partei – dank harter Basisarbeit in den Sektionen und auf der Straße, bei Kundgebungen und Aktionen; und für diesen Job ist sich auch die Parteichefin nicht zu schade.

Seit April 2016 ist Rytz alleinige Präsidentin ihrer Partei. Zuvor hatte sie sich den Job vier Jahre lang mit Adèle Thorens Goumaz geteilt.

Ursprünglich Sozialdemokratin, übte Rytz, die Anfang der 1990er Jahre zu den Grünen wechselte, ihren Beruf als Lehrerin nur kurze Zeit aus. Die studierte Historikerin und Soziologin wechselte mit 31 Jahren voll in die Politik und übte verschiedene Gewerkschafts-, Partei- und Parlamentsfunktionen aus, später wurde sie auch Mitglied der Berner Stadtregierung. Zumindest teilweise auf ihr Konto gingen die Tempo-30-Zonen in Wohngebieten und der Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

Pragmatisch und dialogorientiert

Von Kollegen und Konkurrenten ist zu hören, dass Rytz sehr pragmatisch und dialogorientiert sei und über viel Fachwissen verfüge. Für die Schweizer Medien erfüllt die 57-Jährige, die seit mehr als drei Jahrzehnten mit einem kantonalen Angestellten liiert ist, zahlreiche Grün-Klischees: Sie fliege äußerst selten, habe keinen Führerschein und wohne in einer Dreizimmerwohnung.

Rytz selbst sieht die Schweizer Grünen als "Avantgarde" ihres Landes – nicht nur in Sachen Umwelt (eine Klimapolitik auf Kosten der sozial Schwächeren sei zum Scheitern verurteilt), sondern auch in Sachen Gesellschaft allgemein und Gleichstellung im Besondern: "Wir waren die erste Partei mit einer nationalen Präsidentin, und wir teilen alle Mandate und Funktionen gleichberechtigt unter Frauen und Männern auf."

Im Schweizer Bundesrat könnte Rytz schon in Kürze für eine weitere Premiere sorgen – dann nämlich, wenn dieser sich im Dezember dafür aussprechen sollte, einen der sieben Sitze in der Bundesregierung, also einen Ministerposten, gemäß Wahlergebnis den Grünen zuzusprechen. (Klaus Bonanomi aus Bern, 21.10.2019)