Zerebrale Organoide von Schimpansen in der Petrischale. Die Zellhaufen verhalfen Forschern zu neuen Erkenntnissen zur Gehirnentwicklung beim Menschen und Unterschiede im Vergleich zu anderen Menschenaffen.

Foto: Sabina Kanton, MPI f. evolutionäre Anthropologie

Zürich/Basel – Kleine, hirnähnliche Klumpen aus Nervenzellen, sogenannte zerebrale Organoide, haben neue Einblicke in die Evolution von Menschen- und Affengehirnen geliefert. Anhand dieser "Mini-Hirne" haben Forscher beispielsweise nachgewiesen, dass sich das menschliche Gehirn offenbar langsamer entwickelt als jenes von anderen Primaten.

Seit sie sich von einem gemeinsamen Vorfahren weiterentwickelt haben, sind die Gehirne von Menschen und Menschenaffen sehr verschiedene Wege gegangen. Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der ETH Zürich und des Institute of Molecular and Clinical Ophthalmology Basel (IOB) ging der Frage nach, wie es zu diesen Unterschieden gekommen ist.

In Kulturschalen gezüchteten Nervenzellhaufen

Das Team, zu dem auch Barbara Treutlein von der ETH und Gray Camp vom IOB zählen, ließ umprogrammierte menschliche Stammzellen in der Kulturschale zu solchen "Mini-Gehirnen" differenzieren und beobachtete sie über vier Monate. Parallel verwendeten die Wissenschafter auch Schimpansen- und Makakenzellen und verglichen die Entwicklung dieser Organoide.

Die "Mini-Hirne" aus Affenzellen entwickelten sich demnach schneller als die menschlichen Organoide. "Das deutet darauf hin, dass die menschliche neuronale Entwicklung langsamer stattfindet als in den anderen beiden Primaten", erklärte Treutlein am Dienstag.

Unterschiedliche Gen-Expressionsmuster

Zudem entdeckten die Forscher bei den menschlichen Organoiden, dass Gene in anderen Zusammensetzungen und Mengen abgelesen wurden als bei den Affen-Organoiden. Möglicherweise hängen diese unterschiedlichen Gen-Expressionsmuster mit bestimmten Mutationen zusammen, die alle heute lebenden Menschen gemeinsam haben, berichten die Forscher im Fachjournal "Nature".

Manche davon könnten die Bindung von Proteinen (sogenannte Transkriptionsfaktoren) an die DNA verändert haben, die wiederum steuern, wie stark gewisse Gene abgelesen werden, erläuterte Gray Camp vom IOB Basel. Dies könnte die unterschiedlichen Expressionsmuster erklären.

Die Daten sollen als Basis für die weitere Erforschung der Dynamik der Genregulation während der frühen Hirnentwicklung dienen. Insbesondere sollen sie helfen, Einblicke in die Unterschiede zwischen sich entwickelnden Menschen- und Affengehirnen zu gewinnen. (red, APA, 23.10.2019)