Er wirkt schon ein wenig verloren, der Winzer Hannes Sabathi, wenn er nach Betriebsschluss allein durch sein weitläufiges Weingut im slowenischen Vipava-Tal führt. So gut wie alles hier scheint mächtig überdimensioniert. Vor allem das bizarre Rundgebäude im Zentrum der Kellerei mit seinem Turm und den riesigen Zisternen darin und darunter.

Hannes Sabathi fühlte sich von den Dimensionen im Weingut anfangs ziemlich gestresst.
Foto: Georges Desrues

Die gesamte Anlage ist ganz offensichtlich ein Überbleibsel aus der Zeit Jugoslawiens und der kommunistischen Planwirtschaft. "Angelegt wurde die Kellerei für ziemlich gewaltige Mengen an Wein", bestätigt Sabathi, während er nach dem richtigen Schlüssel für den Eingang zum Turmgebäude sucht, "anfangs stressten mich diese Dimensionen gehörig, weil einfach alles zehnmal größer ist als gewohnt". Doch in Wahrheit habe es sich dabei lediglich um ein Problem im Kopf gehandelt, das mit der Gewöhnung langsam verschwand, fügt er an.

Dass der Steirer Sabathi überhaupt eine so gewaltige Kellerei im westslowenischen Vipava-Tal besitzt, liegt an den Wetterkapriolen des Frühlings 2016. "Damals kam im späten April bei uns in der Südsteiermark noch einmal der Frost und sorgte für einen nahezu kompletten Ernteausfall", erinnert sich der Winzer, "und um das wirtschaftlich etwas abzufedern, wollte ich Trauben von hinter der Grenze in der slowenischen Steiermark kaufen."

Dort hatte der Frost zwar weniger Schaden angerichtet, doch stürzten sich viele österreichische Kollegen auf die Trauben aus den grenznahen Gebieten, sodass auch sie bald zu Mangelware wurden. Und so verschlug es Sabathi bis in das malerische Vipava-Tal.

Die Gebäude der Kellerei im Vipava-Tal sind für sehr große Mengen Wein ausgelegt.
Foto: Georges Desrues

Dieses liegt zweieinhalb Autostunden von Sabathis Heimat Gamlitz und eine knappe halbe Stunde von der italienischen Hafenstadt Triest entfernt. Begrenzt ist das Tal im Süden und in Richtung Adria vom Hochplateau des Triester Karsts. Und im Norden vom schroffen Nanos-Mittelgebirge, dessen höchste Gipfel mehr als 1400 Höhenmeter erreichen.

Foto: Georges Desrues

Das fruchtbare Tal ist landwirtschaftlich geprägt, das Klima gleichermaßen bestimmt vom Mittelmeer wie von den Julischen Alpen. Und dann ist da freilich noch die Bora, slowenisch Burja, jener gefürchtete Fallwind, der bisweilen mit über 150 km/h über das Tal, weiter nach Triest und bis hinaus aufs Meer fegt.

Experimente

Weinbau haben hier angeblich bereits die Römer betrieben. Zu Zeiten der Habsburgermonarchie und dank der Verbindung durch die Südbahn wurden die Weine aus dem "Wippachtal", wie man damals sagte, bis nach Wien gehandelt.

In dieser Zeit, nämlich 1894, entstand die Weinbaugenossenschaft "Vipava 1894", deren Name bis heute besteht. Als die Genossenschaft im Jahr 2017 Konkurs anmelden musste und man einen Käufer suchte, wandte man sich an Sabathi.

Foto: Georges Desrues

Der Weinbau so weit weg von seiner Heimat sollte den Winzer reizen. "Die Arbeit mit anderen Trauben, auf anderen Böden und unter anderen Klimabedingungen hat mich schon immer interessiert", sagt Sabathi. Und übernahm gemeinsam mit zwei kärntnerisch-slowenischen Unternehmern die Weinkellerei.

"Die beiden Brüder Michael und Jakob Blaschitz kümmern sich um die wirtschaftlichen Aspekte, dieserart kann ich selbst mich voll und ganz auf die Weine konzentrieren – ein Traum für jeden Winzer", so Sabathi.

Obgleich auch hier der für die Steiermark emblematische Sauvignon blanc angebaut wird, sind die Weine mit jenen aus seiner Heimatregion kaum zu vergleichen. Was nicht nur an den geografischen und geologischen Bedingungen, sondern auch an der örtlichen Kultur liegt.

"In dieser Gegend wurden so gut wie alle Weine immer schon mazeriert, eine Technik, die wir beibehalten haben", so der Winzer. Und die darin besteht, die Trauben nach dem Pressen auf der Maische vergären zu lassen, wie man das üblicherweise nur bei Rotweinen macht. Indem er den Wein ein bis zwei Wochen auf den Häuten liegen lässt, erzeugt Sabathi hier also sogenannte Orange-Weine.

Foto: Georges Desrues

Und für diese ist nicht nur das Vipava-Tal, sondern die gesamte Region berühmt – vom angrenzenden slowenisch-italienischen Hügelgebiet des Collio im Westen über den Triester Karst bis zur slowenisch-kroatischen Halbinsel Istrien.

Seit einigen Jahren schon finden sich etliche mazerierte Weine aus diesem Gebiet, das einst "Österreichisches Küstenland" hieß und jahrhundertelang ohne Grenzen auskam, in Weinbars und angesagten Restaurants von Paris, London und Kopenhagen bis nach New York und Singapur.

"In der Steiermark mussten wir vor einigen Jahren völlig umdenken", sagt der Winzer in fünfter Generation. "Waren früher vor allem die frischen, leichten, säurebetonten und äußerst aromatischen steirischen Weißweine gefragt, so hat sich das Blatt inzwischen gewendet. Heute werden auch bei uns komplexere und reifere Weine erzeugt, die sich international sehen lassen können."

Außer mit der für ihn neuen Technik kann er nun auch mit ungewohnten Sorten experimentieren. Wie etwa mit der in der gesamten Region stark verbreiteten Malvasia. Aber auch mit autochthonen Trauben aus dem Tal wie der würzig-grasigen Zelen oder der saftigen, strukturierteren Pinela.

Foto: Georges Desrues

Guter Wind

Sie alle bezieht er von den 350 Winzern, die zusammen an die 500 Hektar bewirtschaften und die Kellerei bereits vor der Übernahme durch die Österreicher belieferten. "Die meisten von ihnen bewirtschaften fünf bis sieben Hektar Fläche", erklärt Sabathi, "schon bevor wir herkamen, taten sie das in enger Absprache mit der Kellerei, beispielsweise um zu wissen, welche Sorten sie anbauen sollen."

Von "Vipava 1894" würden die Winzer auch darin beraten, wie sie mit weniger Pflanzenschutzmittel auskommen können, fügt der Winzer an, der seine steirischen Weingärten schon seit Jahren insektizid- und pestizidfrei bearbeitet.

"Generell gesprochen ist es hier im Tal leichter, weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen", fährt er fort, "es gibt weniger Niederschlag. Und die so häufig wehende Bora sorgt dafür, dass die Reben nach jedem Regen schnell wieder trocken werden. Deswegen haben die meisten Winzer schon zuvor weitgehend auf Chemie verzichtet. Einige sind auch biozertifiziert. Und ein anderer bewirtschaftet seine immerhin 20 Hektar sogar biodynamisch."

Foto: Georges Desrues

Dabei kommt ihnen allen natürlich entgegen, dass sie viel geringere Mengen erzeugen müssen als in früheren Zeiten. "Ausgelegt war die Kellerei auf zehn Millionen Liter, noch verwendbare Zisternen gibt es für 4,5 Millionen Liter. Und erzeugen tun wir zurzeit etwas über zwei Millionen", sagt Sabathi und führt in eine leerstehende und saalähnliche Zisterne, die einst die gewaltige Menge von mehr als einer Million Liter Wein fassen konnte.

Über ihr steht der seltsame Zementturm und dominiert das Weingut und das Tal wie ein Symbol einer längst vergangenen Zeit, als in "Vipava 1894" Masse noch mehr zählte als Qualität. (Georges Desrues, RONDO, 14.1.2020)