Unter Margaret Thatcher wurden soziale Wohnungsbestände verkauft. Das rächt sich nun.

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Wer in London eine leistbare Wohnung sucht, braucht viel Geduld. Und wird höchstwahrscheinlich trotzdem nicht fündig: Auf 1800 Euro kommt eine durchschnittliche Mietwohnung dort. Fast dreimal so viel, wie eine gleichwertige Wohnung laut Arbeiterkammer in Wien kosten würde. Immer weniger junge Menschen können sich daher in England, wo Wohneigentum hochgehalten wird, noch ein eigenes Zuhause leisten.

Den Gründen dafür ging der britische Ökonom Josh Ryan-Collins in seinem Buch "Why can‘t you afford a home?" nach. Vor kurzem war er auf Einladung der Arbeiterkammer bei einer Diskussionsveranstaltung in Wien zu Gast.

Eines der ganz großen Probleme europäischer Metropolen ist die Flucht in Immobilien, die nach der Wirtschaftskrise eingesetzt hat. Damals verlegte sich das Interesse internationaler Investoren – Pensionsfonds, Versicherungen, Hedgefonds – auf diese Assetklasse. "Immobilien sind das neue Gold", urteilt Ryan-Collins. Was tun? Der Ökonom fordert Reformen, etwa was die Besteuerung von Grund und Boden angeht sowie des Gewinns, der damit gemacht wird: "Wenn der Wert von Grundstücken steigt, weil in der Nähe eine U-Bahn-Station eröffnet, dann hat der Grundbesitzer dafür ja nichts geleistet."

Sozialwohnungen abverkauft

In seinem Heimatland wurden Sozialwohnungen unter Margaret Thatcher in den 1980er-Jahren abverkauft. Eine "desaströse" Entscheidung, so Ryan-Collins. Die damaligen Besitzer hätten die Wohnungen gewinnbringend verkauft, heute würden viele von ihnen teuer vermietet.

In Wien, das in internationalen Medien immer wieder als Vorbild genannt wird, gibt es insgesamt 420.000 Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen. Dieser Bestand würde helfen, den Wohnungsmarkt zu stabilisieren, ist Michael Gehbauer, Geschäftsführer der WBV-GPA, überzeugt.

Teurer ist das Wohnen in Wien dennoch geworden – weil die Bevölkerung stark gewachsen ist, aber auch, weil Investoren auch das Wiener "Betongold" entdeckt haben. "Früher war das freifinanzierte Wohnen nur eine Ergänzung", erinnert sich Gehbauer. Das habe sich radikal verändert.

Von etwa 15.300 Wohnungen, die 2020 fertig werden, werden 6600 gefördert errichtet. Der Rest sind freifinanzierte Eigentums- und Mietwohnungen, die laut Gehbauer nur für 20 Prozent der Bevölkerung leistbar sind. "Es wird nicht zu wenig gebaut, sondern im falschen Segment", so seine Schlussfolgerung.

Das von Thatcher eingeführte "Right to buy" gibt es auch in Österreich: Die Kaufoption wurde von ÖVP und FPÖ 2002 eingeführt, mit der WGG-Reform heuer wurde sie noch einmal vereinfacht. Gehbauer befürchtet nun auch, dass damit soziale Wohnungsbestände geschmälert werden – und damit der dämpfende Einfluss auf die Mieten.

Vorsichtig optimistisch

Auch sonst ist nicht alles gut im Wiener Wohnbau: Karin Wagner, Senior Expert bei der Österreichischen Nationalbank, fehlen Wohnungen für Einkommensschwache: "Wenn die Wohnkosten bei 50 Prozent des Einkommens liegen, darf im Haushalt nicht mehr viel passieren."

Elisabeth Hammer von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe kritisierte außerdem, dass alleine das Wort "Zugangskriterium" beim sozialen Wohnbau ein Euphemismus sei: "Sollten wir nicht stärker von Ausschlusskriterien sprechen?" Sie wünscht sich eine Neufassung und Neuformulierung der Zugangskriterien, "damit sie eine Rutsche sind für Menschen, um wieder Anschluss zu finden".

Lukas Tockner von der AK-Abteilung Kommunalpolitik zeigte sich, was die Zukunft angeht, dennoch optimistisch: Durch die heuer eingeführte Widmungskategorie "geförderter Wohnbau" gebe es die Möglichkeit, mehr gefördertes Wohnen auf den Weg zu bringen. Zudem habe sich das Bevölkerungswachstum zuletzt abgeschwächt, was sich auch auf die Preise auswirken dürfte.

"Es gibt Lehren, die andere europäische Länder aus dem Wiener Modell ziehen könnten", war Ryan-Collins bei der Diskussionsrunde überzeugt: "Spread the word", forderte er die Anwesenden daher auf. Dass andere Städte Wien kopieren, ist für Gehbauer aber schwierig: "Das ist ein historisch gewachsenes System." (Franziska Zoidl, 23.10.2019)