Auch Gegner der Grünen könnten den Grünen dankbar sein: Sie retten zumindest die Statistik. Ihnen ist zu verdanken, dass nicht nur Frauen, sondern auch Menschen aus Zuwandererfamilien im neuen Parlament diesmal nicht gar so schäbig schlecht vertreten sind. Von den 183 Abgeordneten im Nationalrat haben nur neun einen Migrationshintergrund. Das ist nicht viel, aber ohne die Grünen wären es nur drei. ÖVP und FPÖ haben keinen einzigen Abgeordneten aus einer Einwandererfamilie. Es ist keine Übertreibung, hier von künstlich geschaffenen Monokulturen zu sprechen.

Es ist eine andere Politik, die in diesem Haus entsteht – eine, die einen Teil der österreichischen Realität ausblendet. Zwar leistet kein Migrant bessere politische Arbeit, nur weil er Migrant ist. Den Abgeordneten ohne Einwanderungshintergrund, so unterschiedlich sie sein mögen, fehlen aber ganz bestimmte Erfahrungen, die für die Arbeit an einem besseren Morgen gebraucht werden. Etwa jene, in zwei Sprachfamilien aufgewachsen zu sein, im fliegenden Wechsel zwischen diesen Sprach- und Gedankenwelten zu leben. Zu wissen, was es heißt, sich in einer neuen Umgebung neu definieren zu müssen. Womöglich auch die Erfahrung, im Vergleich mit den weiterhin im Ausland lebenden Familienmitgliedern festzustellen, dass Österreich ein Land ist, in dem viele Dinge einfach wahnsinnig gut funktionieren. Vor allem aber fehlt ihnen die Erfahrung, wie es sich anfühlt, aufgrund der Herkunft ausgegrenzt zu werden: die Gewissheit, dass diese Ausgrenzung zum größten Unrecht gehört, das einem Menschen widerfahren kann.

Formen der Diskriminierung

Diese Ausgrenzung zu bekämpfen und dafür zu sorgen, dass es nicht der Name ist, der bestimmt, ob Menschen einen Job oder eine Wohnung finden, liegt in der Verantwortung dieses Parlaments. Jene Parlamentsfraktionen, die diese Ausgrenzung selbst leben, werden mit dieser für die Gesellschaft so wichtigen Aufgabe immer überfordert sein.

Von den 183 Abgeordneten im Nationalrat haben nur neun einen Migrationshintergrund.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Nun mag man einwenden, dass es ja auch andere Formen der Diskriminierung gibt. Wo sind die Arbeiter im Parlament, die prekär Beschäftigten? Warum der hohe Männerüberhang? Die Antwort lautet: Es ist kein Entweder-oder. Es sind verschiedene Formen von Ausschluss, die stets zugleich passieren. Und sie passieren nicht nur, im Gegenteil: Sie sind gewollt.

Wer nämlich meint, dass in einer Demokratie ja immer der Wähler entscheide, wie sich das Parlament zusammensetzt, verkennt die Lage. Mittlerweile sind es 1,2 Millionen Menschen, die gar nicht mitentscheiden dürfen. Österreich hat sich ein Wahl- und Staatsbürgerschaftsrecht verpasst, das zu den restriktivsten in Europa gehört. Überspitzt gesagt: Ein überhomogenes Parlament erlässt Gesetze, die dafür sorgen, dass das Parlament weiterhin so homogen bleibt, wie es ist. Und so realitätsfern, wie es nicht sein sollte. Und wer weiß, wie die Wähler entscheiden würden, hätten sie eine Kandidatenliste vor Augen, die auch jene miteinschließt, die derzeit ausgeschlossen sind? Sie haben gar nicht die Wahl.

In einer Einwanderungsgesellschaft, wie Österreich es immer war, ist es ein massives Problem, wenn der Beitrag, den Zugewanderte leisten, sich nicht auch im Parlament widerspiegelt. Eine Volksvertretung, in der ausgerechnet die unterprivilegierten Teile des Volkes nicht vertreten sind, ist in Gefahr, diesen Namen nicht mehr zu verdienen. (Maria Sterkl, 22.10.2019)