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Im englischsprachigen Raum sind anonymisierte Bewerbungen bereits Standard. In Österreich sind die Erfahrungen damit unterschiedlich.

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In den USA, Großbritannien oder auch Schweden sind anonymisierte Bewerbungen bereits die Norm. Bewerbungsschreiben kommen dort ganz ohne Name, Alter, Geschlecht, Nationalität und Porträtfoto des Bewerbers aus. Erst beim Vorstellungsgespräch werden diese Details aus dem Lebenslauf ersichtlich. Bei den Kandidaten soll lediglich die Qualifikation ausschlaggebend sein. Damit sollen die Chancen jener verbessert werden, die aufgrund des Alters oder ihres Migrationshintergrunds sonst eher schlechtere Karten haben, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.

Dass ein Migrationshintergrund die Chancen am Arbeitsmarkt verschlechtert, zeigt ein in Deutschland durchgeführter Feldversuch. Im Auftrag des Instituts zur Zukunft der Arbeit wurden 1500 fiktive Bewerbungen verschickt. Die Qualifikationen blieben unverändert, es wurde lediglich ein deutscher Name durch einen türkischen ersetzt, bei einigen die Bewerberin mit Kopftuch abgebildet. Nur gut vier Prozent der Bewerberinnen mit Kopftuch wurden zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, bei den deutschen Bewerbungen waren es knapp 19 Prozent. Von den türkischen Namen bekamen knapp 14 Prozent eine Einladung für ein Vorstellungsgespräch.

In österreichischen Unternehmen selten

In Österreich werden anonymisierte Bewerbungen kaum eingesetzt. Das Versicherungsunternehmen Helvetia Österreich hat Anfang Oktober ein dementsprechendes Pilotprojekt durchgeführt. Neben dem anonymisierten Bewerbungsschreiben fand auch das erste Gespräch anonym statt, also ohne dass Recruiter und Kandidat oder Kandidatin einander sehen können. "Wir merken in der Personalgewinnung, dass einige Jobsuchende nervös oder unsicher sind. Um auch diesen Personen höhere Chancen zu geben und den ersten Eindruck rein auf das Gesagte aufzubauen, haben wir uns für dieses ungewöhnliche Setting entschieden", sagt Thorid Braunstein, Teamleiterin Unternehmens- & Personalentwicklung von Helvetia Österreich. Grundsätzlich sei das Feedback sowohl von den Bewerbern als auch von den Recruitern sehr positiv ausgefallen. Auch wenn sich Helvetia schon bisher bemüht habe, im Bewerbungsprozess mögliche Diskriminierungen zu unterbinden, wurden durch dieses Pilotprojekt verstärkt ältere Personen angesprochen, die sich sonst – obwohl sie im Unternehmen willkommen wären – nicht beworben hätten, ergänzt sie.

Kritiker sind der Meinung, dass es nicht unbedingt aussagekräftig sei, sich allein auf die Leistungen zu konzentrieren, die Persönlichkeit würde hier auf der Strecke bleiben. Dem kann Braunstein nicht zustimmen, denn neben entsprechenden Qualifikationen, die es für bestimmte Positionen brauche, sei die Motivation des Bewerbers das entscheidende Kriterium. Und diese Motivation müsse nach wie vor durch das Bewerbungsschreiben spürbar werden. Auch dem Einwand, dass durch diese Art der Bewerbung allfällige Benachteiligungen auf das persönliche Vorstellungsgespräch verschoben werde, kann sie nichts abgewinnen.

Es sei aber eine gänzlich andere Form der Bewerbung, sowohl für den Bewerber als auch für das Unternehmen. Vor allem wenn auch das Vorstellungsgespräch anonym geführt werde. "Denn Recruiter sind gewohnt, dem Gegenüber in die Augen zu schauen und so diese Person einschätzen zu können." Beim anonymen Gespräch können nur das Gesagte und die Stimme dafür herangezogen werden. "Für Helvetia sind anonymisierte Bewerbungen ein guter zusätzlicher Kanal, um Bewerber zu ermutigen", sagt sie. Dass dann auch das erste Gespräch anonym geführt werde, sei aber unwahrscheinlich, da es in der Organisation schon sehr aufwendig war. (Gudrun Ostermann, 29.10.2019)