Bezüglich kaum eines anderen Konzepts dürfte es so viele Missverständnisse geben wie bezüglich der politischen Immunität. Diese soll prinzipiell nicht den einzelnen Abgeordneten vor Strafverfolgung schützen, sondern das Parlament. Sprich: Keine Regierung soll über die Justiz Zugriff auf Abgeordnete haben, um sie zu beeinflussen. Das ist sinnvoll und elegant, hat jedoch einen Schönheitsfehler: Sobald der Abgeordnete sein Amt verliert, ist er nicht mehr gegen die Anklage gefeit.

Sitzung des Nationalrates im Parlamentsausweichquartier in Wien.
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Die Immunität wirkt nicht nach – und schützt auch dann nicht, wenn der Nationalrat zuvor festgestellt hat, dass das vorgeworfene Delikt in engem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit steht. Man nehme den Fall Peter Pilz: Ihm wird die sogenannte "verbotene Veröffentlichung" vorgeworfen, weil er als Abgeordneter einst Unregelmäßigkeiten in prominenten Kriminalfällen aufgezeigt hat. Oder Johann Gudenus: Gegen ihn wird wegen Verhetzung durch einen Facebook-Beitrag ermittelt, obwohl im Nationalrat festgestellt wurde, dass sein Posting in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Politiker steht. Ewig geschützt sind jedoch nur Aussagen im Plenum und in Ausschüssen.

Es geht nicht darum, dass Politiker keine Strafzettel bezahlen oder korrupt sein dürfen. Sondern es geht darum, dass Delikte, die der Nationalrat als politische Tätigkeit einstuft, per se blockiert sein sollten. Denn es kann nicht sein, dass sich Politiker wegen ihrer politischen Aktivitäten nach der Abwahl vor einer Anklage fürchten müssen. (Fabian Schmid, 23.10.2019)