Mit der Tokyo Motor Show (TMS) ist der diesjährige Messereigen der Branche im Wesentlichen gelaufen. Ende November folgt noch Los Angeles Auto Show, das war’s dann aber auch. Zeit für eine kurze Bilanz, und dann gleich zur Messe, zur derzeitigen Performance der Autobranche und natürlich den wichtigsten Salonneuheiten – auf den Stand der Dinge sozusagen.

Wie Frankfurt (IAA) und Paris wird die Messe in Tokio biennal veranstaltet. Die Erfahrung, dass große internationale Hersteller ausbleiben, hat im September sogar die weltweit wichtigste Veranstaltung dieser Art, die IAA, massiv betroffen.

Konzepte

Offensichtlich läuft sich das Konzept Automobil-Salon angesichts der elektronischen Revolution tot (die Ausnahme bildet das autonarrische China mit den Messen in Schanghai und Peking) – was für das Automobil als solches, allen realen Schwierigkeiten (Mobilitätswende, Dieseldebatte etc.) und Krisengerede zum Trotz, nun überhaupt nicht zutrifft: Mit den Megatrends Vernetzung, autonomes Fahren und alternative Antriebe steht es im Fokus der gesamten Hochtechnologie, und aufgrund der immer kaufkräftigeren Kundschaft in China, Indien und anderswo, fernab der gesättigten Märkte Nordamerika, Europa und Japan, ist auf lange Zeit permanentes Absatzwachstum garantiert.

Studien rechnen in dem Zusammenhang damit, dass der weltweite Pkw-Absatz im kommenden Jahr erstmals die 100-Millionen-Marke überschreitet. Vorausgesetzt, Brexit und Trumponomics machen die Prognose nicht (vorläufig) zunichte.

Viele Studien

Die Tokyo Motor Show, die heuer unter dem weisen Motto "Open Future" steht, findet mittlerweile zum fünften Mal im Messegelände Big Sight auf der künstlichen Insel Odaiba in der Tokioter Bucht statt, nur Toyota hat sich im Aomi-Austellungsgelände ein Stück weiter weg eingeparkt. Bis 4. November demonstrieren dort die japanischen Hersteller ihre Potenz, Innovationskraft und, sehr sympathisch, ungebrochene Lust an Spiel und Spaß. Wie üblich, werden nur wenige auch für Europa relevante neue Serienmodelle präsentiert, dafür aber reichlich Studien und Konzepte zu den aktuellen Technologie- und Designtrends. Das Spektrum reicht wie gewohnt von seriös bis schrill, Mainstream bis Manga – auffällig ist allerdings, dass anders als bisher kaum neue (Super-)Sportwagen zu sehen sind.

Und wenn 2017, zur letzten Tokyo Motor Show, 771.200 Besucher zu vermelden waren, so zeigt dieser Kennwert zwar eine rückläufige Tendenz – 2013 strömten 902.800 Menschen zur Show, 2015 waren es 821.500 –, die Veranstalter rechnen aber dennoch mit weiterhin großem Publikumsinteresse und -andrang.

Bevor wir uns den Aufmarsch der Messestars zugute führen, rasch ein Hinweis, wer von den Gaijins heuer den Weg ins Inselreich gefunden hat. Nämlich so gut wie keiner. Aus Deutschland zeigt einzig Daimler Flagge, aus Frankreich reist Renault mit Alpine an, fertig, aus. VW stellt derweil daheim in Wolfsburg den Golf 8 vor, der vielleicht doch eher nicht so relevant ist für die Japaner. Die hingegen sind vollzählig vertreten, mit Honda, Mazda, Mitsubishi, Nissan, Suzuki, Subaru, Toyota (inklusive Daihatsu und Lexus), und weil sie auch den Motorradmarkt weltweit dominieren, steht auch viel Einspuriges von Honda, Kawasaki, Suzuki und Yamaha auf den Ständen.

Der Markt

Stichwort Dominanz. Lange Jahre teilten sich Deutschland und Japan die Spitzenpositionen: Die fernöstlichen Automobilkonfektionäre waren weltweit beim Absatz führend, die deutschen beim Umsatz; kein Wunder, wenn man bedenkt, wie komfortabel die sich im Premium-Segment eingerichtet haben – rund 80 Prozent aller Automobile dieser Kategorie stammen aus den Schmieden von Mercedes, BMW, Audi und Porsche. Nun scheint Japan auch beim Umsatz mindestens gleichgezogen zu haben.

Beim Absatz kamen die Japaner 2018 auf insgesamt 28,67 Millionen Autos, die Deutschen auf knapp 16 Millionen. Dabei verkaufte Toyota, gleich hinter VW zweitgrößter Autokonzern der Welt, 10,59 Millionen Fahrzeuge, Nissan 5,65, Honda 5,20, Suzuki 3,39, Mazda 1,60, Mitsubishi 1,22, Subaru 1,02.

Die fernöstliche Autosupermacht ist nicht nur bei fast jedem Thema entweder vorne mit dabei oder gar führend. Speziell bei ökologisch korrekten Antrieben gehören sie auch seit Langem zu den Pionieren (Hybrid-Technologie), wenngleich sie die Schwerpunkte etwas anders setzen als momentan die Deutschen und Franzosen (batterieelektrische Mobilität), besonders Toyota und Honda sind da mit ihrem Fokus auf Wasserstoff-Brennstoffzelle auf einem Kurs, den sie zuletzt fast widerstrebend um die batterieelektrische Komponente erweitert haben, auch davon gibt es Zeugnisse auf der Tokyo Motor Show. Für Japans Autohersteller gilt halt: Erst gründlich nachdenken, dann sauber vorfahren.

Und man ist bestens darauf vorbereitet, der staunenden Welt zu den Olympischen Sommerspielen 2020 zu zeigen, wie bereit man für die Zukunft ist, inklusive autonomen Fahrens auf Level 4.

Erfolgreich sind des Tennos wackere Wagenbauer global in jeder Region, der (stagnierende) japanische Markt selbst ist mit zuletzt (2018) 4,39 Millionen Neuzulassungen nach China (23,26), USA_(17,22), EU (15,16), der viertgrößte der Welt. Nur sieben Prozent davon gehen auf das Konto ausländischer Hersteller, da wiederum sind vor allem die deutschen Nobelmarken gefragt.

In Österreich sind die japanischen Hersteller zwar weit weg von den goldenen 80ern, die Fahrzeuge sind aber nach wie vor sehr beliebt. In den ersten neun Monaten dieses Jahres liegt man bei 11,3 Prozent (2018 Volljahr: 12,1, 2017: 12,0) – bei einem rückläufigen Gesamtmarkt von 258.272 Neuzulassungen (-6,3 Prozent). Rangfolge: Mazda (2,9 Prozent), Suzuki (2,7), Toyota (2,0), Mitsubishi (1,5), Nissan (1,3), Honda (0,7), Subaru (0,1), Lexus (0,1).

Damit zu den wichtigsten und spannendsten Salonneuheiten, alphabetisch geordnet nach Konzernen.

HONDA

Großer Auftritt für den kleinen Jazz. Die Neuauflage des superschlauen Kleinwagens ist zugleich eine der ganz wenigen Fahrzeuge am Salon, die einen realen Marktimpakt in Österreich haben werden – nämlich Mitte 2020. Der neue Jazz ist, anders als das etwas zerklüftet wirkende derzeitige Modell, klar und sauber gezeichnet, ein schickes Kerlchen im Einboxdesign – und er kommt in Europa ausschließlich als Hybridmodell, wobei die technische Konfiguration sich anlehnt an die im CR-V eingeführte. Heißt: Wieder ein auf zwei Elektromotoren basierendes Konzept. Als neue Variante kommt dabei der auf SUV getrimmte Jazz Crosstar hinzu – höher gestellt und rustikal beplankt, wie die Gattung es verlangt. Und der batterieelektrische Honda e, der im Frühsommer nach Österreich kommt, feiert Japan-Premiere.

Foto: Andreas Stockinger

MAZDA

Überraschung bei Mazda: Mit dem MX-30 steigen die Hiroschimer in das batterieelektrische Zeitalter ein. So spät wie möglich, so früh wie nötig, lautete ja deren diesbezügliches Motto, und der Schnittpunkt dieser beiden Koordinaten ist nun 2020 erreicht, nächsten Herbst kommt der Wagen auch schon nach Österreich. Dementsprechend überstrahlt der Mazda-Stromer alles andere am Stand, so auch die Abteilung mit den Umweltthemen, die die Öko-Strategie der Japaner noch einmal anschaulich erläutert – in deren Zuge in naher Zukunft auch Plug-in-Hybride kombiniert mit Diesotto zu erwarten sind. Beim MX-30 handelt es sich um einen mittelgroßen SUV im typischen Kodo-Design, das sieht also schon einmal richtig gut aus. Angetrieben wird an der Front, Mazda meldet eine 50:50-Achslastbalance, und die 35,5-kWh-Batterie lässt auf eine WLTP-Reichweite irgendwo zwischen 200 und 250 km schließen. Sogar eine Preispeilung gibt es schon: Die Edition One kommt auf 34.990 €.

Foto: Andreas Stockinger

MITSUBISHI

Bevor die ersten Autos aus der Allianz mit Renault und Nissan auf die Straße kommen (Ende 2020), überbrückt Mitsubihi das Interregnum mit mehren interessanten Studien. Das kantige Mi-Tech Concept des Plug-in-Hybrid-Pioniers skizziert die nächste Entwicklungsstufe dieser Antriebstechnologie. Das witzige, freche Konzept ist als zweisitziges SUV-Cabrio konzipiert. Je zwei Elektromotoren an jeder Achse ergeben einen ausgefuchsten Torque-Vectoring-Allradler, als Stromgenerator dient eine Gasturbine.

Foto: Andreas Stockinger

Und in der Kategorie Kei-Car, in Japan sind die maximal 3,39 m langen Winzlinge ein richtig marktrelevantes Thema, fällt noch die Studie Super Height K-Wagon, wieder was Kastenförmiges, aber mit Stummelschnauze. Japan-Debüt feiert weiters die lässige, ebenfalls markant-kantige Plug-in-SUV-Studie Engelberg Tourer. Kann sein, dass aus der ein Outlander-Erbe wird.

Foto: Andreas Stockinger

NISSAN

Mit 3,43 m Länge gerade kein Kei-Car mehr, aber kaum größer ist Nissans Messestar, das IMk Concept. Batterieelektrisch angetrieben und voll vernetzt, haben wir hier laut Nissan "das ultimative Pendlerfahrzeug" vor uns – außerdem ist das possierliche Ding als klarer Hinweis auf die neue Designsprache bei Nissan zu interpretieren.

Foto: Andreas Stockinger

Beim Ariya handelt es sich um die zweite Version der 2017 in Tokio enthüllten Studie IMx. Der attraktiv gestylte batterieelektrische Allrad-SUV (je ein E-Motor vorne und hinten) ist bereits so seriennah, dass man vergeblich auf präzisere Daten hinsichtlich Leistung, Batteriekapazität und Reichweite wartet – das Serienmodell rollt in der zweiten Jahreshälfte 2020 in Österreich vor.

Foto: Andreas Stockinger

SUZUKI

Der einzige (noch dazu hoch-)profitable Kleinwagenhersteller der Welt, zugleich noch Allradspezialist, feiert nächstes Jahr sein 100-Jahr-Jubiläum. Man bleibt dem in den vergangenen TMS-Jahren erarbeiteten Ruf treu und hat ein Füllhorn an kunterbunten Studien mitgebracht. Nichts davon ist für Europa serienrelevant, es zeigt sich jedoch, dass auch Suzuki an der Mobilitätswende und den anderen Technikmegatrends arbeitet. Die drei automobilen Konzepte widmen sich dabei den Themen Plug-in-Hybrid (Wakku Spo), autonomes Fahren (Hanare) und Ultrakompakt-Crossover (Hustler Concept). Zäumen wir das Pferd von hinten auf. Den Hustler gibt es in Japan in mehreren Versionen, zwei Studien machen den Inselbewohnern und -innen Gusto auf noch mehr.

Foto: Andreas Stockinger

Den kastigen Hustler-Look treibt der Hanare (jap.: freistehenden Häuschens) ins Extreme, der hochflexible, komfortable Bonsai-Bus fährt autonom und geht japantypisch freundlich mit seinen Insassen um – nur verneigen tut er sich nicht.

Foto: Andreas Stockinger

Und beim Wakku Spo handelt es sich um ein schnuckeliges, wiederum von der Kastengrundform abgeleitetes Klein-Stufenheck (aus dem flugs auch ein Kombi werden kann) mit Plug-in-Hybrid-Antrieb. Kommt so, wie gesagt (und leider) nicht zu uns, allerdings ist in Österreich Ende 2020 mit Plug-in-Suzukis aus der Kooperation mit Toyota zu rechnen.

Foto: Andreas Stockinger

TOYOTA

Der in Österreich nicht mehr präsente Kleinwagenableger Daihatsu zeigt einige witzige Studien, wichtiger ist aber natürlich, was sich bei Toyota und Lexus tut. Die Öko-Strategie zeichnet sich dabei präzise ab: Hybrid, solange die Verbrennerära reicht, batterieelektrisch im städtischen Bereich, Wasserstoff-Brennstoffzelle für alle weiteren Strecken. Wie weit, zeigt gleich einmal das keilförmige Mirai Concept, das 2020 in das Serienmodell mündet und ab 2021 auch in Österreich erhältlich sein wird. Überraschend elegante, 4,98 m lange Limousine mit Hinterradantrieb und 30 Prozent mehr Reichweite als bisher. Der Mirai kommt dann mit einer Betankung 650 km weit (WLTP). Und es geht langsam in die Großserie: Bringt es die erste Generation bisher (seit Ende 2014) auf 10.000 Stück, so laufen von der zweiten 30.000 vom Band – pro Jahr.

Foto: Andreas Stockinger

So gefällig der Mirai, so unkonventionell der LQ. Mit dem wollen sie wohl die Leute erschrecken am Stand. Naja, Design ist eben immer Geschmacksache. Hinter dem Konzept stehen erneut vor allem Überlegungen zum voll vernetzten, autonomen Fahren (Level 4!), und auch hier sorgt ein persönlicher, künstlich intelligenter Assistent namens Yui japantypisch für Höflich- und Dienstbarkeit an Bord. Bei Müdigkeit und Gemütsschwankungen steuert Yui gegen. Nicht per Lenkrad, sondern per Sitzbelüftung, Beleuchtung, Beduftung etc. Die Hauptbotschaft ist aber ernst gemeint: Ab Juni wird autonomes Fahren Stufe 4 bei Toyota Wirklichkeit.

Foto: Andreas Stockinger

Und mit dem aktuellen Entwicklungsstand des Konzeptfahrzeugs e-Palette, wieder so ein kasten-, fast würfelförmiges Ding, bereitet sich Toyota endgültig auf die Umsetzung des Versprechens vor, die Athleten und -innen 2020 in Tokio im Olympischen und Paralympischen Dorf zu befördern – batterieelektrisch und ebenfalls autonom auf Level 4. Mit 20 Fahrzeugen und 20 km schnell. Immer diese Raserei.

Foto: Andreas Stockinger

Außerdem ist die Japan-Version jenes Europa-Yaris zu sehen, der unlängst in Amsterdam Weltpremiere hatte und im September 2020 in Österreich startet.

War da noch was mit Batterie? Richtig: Einmal ein ultrakompaktes, noch namenloses Stadtmobil von Toyota mit rund 100 km Reichweite und 2,49 m Länge (damit liegt der Winzling sogar noch einen Zentimeter unter dem ersten Smart von 1998), einmal eine 5,09 m lange, futuristische Elektro-Studie im typischen Lexus-Design – wobei der LF-30 zeigt, dass man das 30-Jahr-Jubiläum auch mit Blick auf die Zukunft begehen kann. Konfiguration: E-Motor mit 400 kW, 110-kWh-Batterie, 500 km WLTP-Reichweite.

Foto: Andreas Stockinger

Und zum emotionalen Abschluss hat Toyota noch den GR E-Racer hingestellt. Coole Öko-Sportler-Kist. (Andreas Stockinger, 24.10.2019)

Foto: Andreas Stockinger