Macrons Kandidat Thierry Breton.

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Brüssel – Nach dem Scheitern seiner EU-Kommissionskandidatin Sylvie Goulard hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den ehemaligen Wirtschaftsminister Thierry Breton als Kommissar für Industrie und Binnenmarkt vorgeschlagen.

Macron habe der künftigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Vorschlag übermittelt, teilte der Elysée-Palast am Donnerstag mit. Breton ist derzeit Geschäftsführer des IT-Unternehmens Atos. Er sei ein "Mann der Tat", der die Industrie genau kenne, erklärte das Präsidialamt. Die EU-Institutionen seien ihm ebenso vertraut.

Breton sei "offensichtlich ein sehr erfahrener Kandidat auch im digitalen Bereich", hieß es am Donnerstag aus von der Leyens Übergangsteam. Von der Leyen und Macron hätten sich bereits auf die Nominierung geeinigt, teilte der Elysée-Palast mit. "Wenn wir diesen Kandidaten vorschlagen, ist er geeignet", betonte Paris. Nach Angaben aus von der Leyens Team wird die künftige Kommissionschefin voraussichtlich Anfang kommender Woche ein erstes Gespräch mit Breton führen.

Nach Ansicht des belgischen Grünen-EU-Politikers Philippe Lamberts müssen bei Breton allerdings alle potenziellen Interessenkonflikte geprüft werden. Eine Schlüsselfrage sei dabei Bretons privates Vermögen, sagte Lamberts am Donnerstag.

"Das richtige Kaliber"

Angesichts des Lebenslaufs des 64-Jährigen scheine dieser aber "das richtige Kaliber" für den Posten des EU-Binnenmarktkommissars zu sein, sagte Lamberts. Nun müsse mit allen Mitteln ausgeschlossen werden, dass der Unternehmer und Ex-Minister in einen Interessenkonflikt komme.

Breton erklärte, er fühle sich geehrt angesichts des Vertrauens, das ihm von Macron und von der Leyen entgegengebracht werde. Er messe den Themen des Industrieressorts eine große Bedeutung "für die Zukunft unseres Kontinents" bei. Er bereite sich nun auf die Anhörungen in den zuständigen Ausschüssen des Europaparlaments vor.

Dieses hatte Goulard nach zwei Befragungen mit großer Mehrheit abgelehnt. Zum Verhängnis wurden ihr unter anderem laufende Ermittlungen zu einer Scheinbeschäftigungsaffäre. Lamberts bedauerte, dass Macron nicht erneut eine Frau nominierte. Damit sei die Geschlechterparität in von der Leyens Personalpaket nicht mehr gegeben.

Macron machte von der Leyen für das Debakel verantwortlich. Sie habe auf der Personalie bestanden, erklärte er. Das für Goulard vorgesehene Ressort Industrie und Binnenmarkt beansprucht er aber weiterhin.

Da auch Kandidaten aus Ungarn und Rumänien im Parlament scheiterten, verschiebt sich der Amtsantritt der neuen Kommission voraussichtlich auf frühestens 1. Dezember. Auch alle neuen Kandidaten müssen sich Anhörungen im EU-Parlament stellen. Erst danach kann das Parlament in einer Plenarsitzung über die gesamte Kommission abstimmen.

Briten könnten Kommissar stellen müssen

Im Falle einer mehrmonatigen Verschiebung des Brexits muss Großbritannien wohl noch einmal einen neuen EU-Kommissar benennen. Von der Leyen erklärte am Donnerstag in Helsinki, dies gelte, falls Großbritannien zum Amtsantritts ihres Teams noch Mitglied der Europäischen Union sei.

Der ursprünglich für 31. Oktober geplante EU-Austritt Großbritanniens wird wohl verschoben. Darüber sind sich die 27 bleibenden EU-Länder nach Darstellung von Diplomaten grundsätzlich einig, doch steht die Dauer noch nicht fest. Am Freitag wird darüber in Brüssel erneut beraten. (APA, AFP, Reuters, 24.10.2019)