Die "kleinen Schriften" sind eine Sorte Texte, die unverdientermaßen nicht die große Aufmerksamkeit auf sich ziehen, meist werden sie spät gesammelt oder gar erst postum als "hinterlassene Schriften" veröffentlicht, dabei sind unter ihnen oft Kleinode und manche bergen den Keim für ein ganzes Buch.

Das lässt sich auch von den "Reden und Schriften" sagen, die Erich Hackl in den letzten 25 Jahren verstreut publiziert hat und die nunmehr unter dem Titel Im Leben mehr Glück auch der breiteren Leserschaft zugänglich sind.

Darin werden vor allem Menschen und ihre Haltungen gewürdigt, deren Lebenswege Hackl gekreuzt hat, Widerstandskämpfer, KZ-Häftlinge, verstorbene Freunde. Dabei handelt es sich nicht nur um persönliche Gedenkblätter (auch in Form von Grabreden), in ihnen werden Lehrbeispiele der Geschichte zum Aufleuchten gebracht, und in diesem Licht wird gezeigt, wie Geschichte anders hätte verlaufen können, hätte es nur mehr solchen Mut und Anstand gegeben.

Das vermitteln auch die Texte im ersten Abschnitt, der folgerichtig "Heimatkunde" heißt, darin geht es, neben Kritik an der gegenwärtigen Politik, um einen Aufruf gegen das Vergessen.

Der rote Faden in Hackls Werk

Es ist der rote Faden in Hackls Werk, in dem jede Mahnung ein Nachruf ist und umgekehrt. Viele der mehr als 40 Texte wurden ursprünglich als Reden gehalten, und man würde sich wünschen, es wären alle Reden so engagiert, kritisch, literarisch. In ihnen wird erzählt und jene Haltung eingefordert, die Hackl an den Menschen bewundert, denen er sein Schreiben gewidmet hat.

"Was alle angeht", heißt eine kleine Vignette aus dem Jahr 2007, die sich, fast schmerzlich, dem Verlust widersetzt ("vergessen, was gewesen ist"). Aber auch die Literatur, die das Erinnern wachhält, ist sich Hackl bewusst, ist eine bedrohte Wirklichkeit, die "gemäß politischen Kräfteverhältnissen" zerfällt.

Umso wichtiger, wenn hier auch die Aufgabe, die gesellschaftliche Notwendigkeit und die Schwierigkeiten des Schreibens reflektiert werden. Eine seiner wichtigsten Reden, gehalten beim Erhalt des Ehrenpreises des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln 2004, heißt skeptisch "Warum noch schreiben? Wozu leben?".

Dabei ist es gerade die Skepsis, die Erich Hackl als allzu bequeme Haltung der Gesellschaft kritisiert, vielmehr sollte sich diese doch über das Unrecht in der Welt empören. Schon Hannah Arendt hat einst bemängelt, die deutsche Jugend reagiere auf die Schuld der Väter mit der Flucht in Gefühle, in Sentimentalität – so würde man sich wieder nur der Wirklichkeit entziehen.

Zweifel an der Gemütlichkeit

Wie die Skepsis, so Hackl, sei auch die Toleranz, die fast zu einem Propagandamittel verkommen sei, konformistisch geworden, sie habe für sein Schreiben nie eine Rolle gespielt, sondern immer nur die "Empörung als Ausdruck meines Mitleids und meiner Trauer".

Es ist der tiefe Zweifel an der Gemütlichkeit der Welt und der Skepsis ihrer Menschen, den Hackl in seiner Rede damals mit Vehemenz in die Öffentlichkeit trug – sechs Jahre bevor Stéphane Hessel mit seinem kämpferischen Essay Empört euch! für Furore sorgte.

Dieselbe Phrase mag auch Hackl mit allem, was er schreibt, Lesenden zurufen. Denn vieles in der Welt wäre anders geworden, hätten sich die Menschen zum richtigen Zeitpunkt empört. Es wäre aber schon viel getan, als Schreibender dafür zu streiten. Umgekehrt ist alles umsonst, wenn das Wort verstummt.

"Wenn die Utopie abgeschafft, die Empörung durch die Skepsis ersetzt ist, der Mitmensch nicht anerkannt, nur toleriert wird", fragt Hackl: "Warum noch schreiben? Wozu leben?" In einem Interview hat er kürzlich vom "Funken der Hoffnung" gesprochen, "im Sinne dessen, was möglich gewesen wäre". Es hätte ja klappen können mit dem "mehr Glück". Und es ist die Aufgabe des Schreibenden, den Funken zu bewahren. (Gerhard Zeilinger, 25.10.2019)