Der deutsche Komponist und Dirigent Hans Zender.

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Die Versöhnung zwischen Tradition und Moderne, die Hans Zender zeitlebens kreativ beschäftigte, hatte nichts von einem faulen Kompromiss, der das jeweilige Material seiner Eigenheiten berauben würde. Als Dirigent war der 1936 in Wiesbaden geborene Universalmusiker an der konzisen Umsetzung von Klassikern interessiert. Ob Orchesterleiter oder Generalmusikdirektor (in Saarbrücken, Kiel oder Hamburg) – Zender setzte sich mit der Wiener Klassik ebenso auseinander wie mit dem französischen Impressionismus eines Claude Debussy oder der in die Moderne hinüberleidenden symphonischen Welt Gustav Mahlers.

Dem vielseitigen Kollegen Pierre Boulez nicht unähnlich, setzte sich Zender jedoch ebenso für das Zeitgenössische ein, also u. a. für die Erneuerer Luigi Nono, Edgar Varèse und auch Bernd Alois Zimmermann. Natürlich suchte Zender auch als Komponist nicht die harmlose Verschmelzung verflossener Epochen mit der Gegenwart. Auch dort, wo er sich mit Repertoiremonumenten konfrontierte und diese komponierend neu befragte, setzte Zender eher auf Brüche als auf Stilverschmelzung. "Tradition ist Geschichte und die Schlussfolgerung, die man aus der Geschichte ziehen sollte, wenn man bewusst in der Gegenwart lebt", meinte Zender.

Dramatische Aktualisierungen

Anhand von Werken wie dem Dialog mit Haydn (für zwei Klaviere und drei Orchestergruppen) oder den 33 Veränderungen über 33 Veränderungen über Beethovens Diabelli-Variationen sind Zenders Schlussfolgerungen zu studieren. Vor allem seine Bearbeitung von Schuberts Winterreise (für Tenor und Orchester) zeigt: Wiewohl Zender dem Original seinen historischen Charakter nahezu gänzlich belässt, schafft er u. a. durch hereinwehende harmonische Farben der Moderne eine dramatische Aktualisierung des Gehalts. Es war dies als eine Art Hinüberretten des Werks ins Heute zu verstehen. Dessen Wirkung wird mit gegenwärtigen Mitteln neu befeuert, und dies in einem subtilen Akt komponierender Interpretation.

Der deutsche Dirigent und Komponist Hans Zender ist Dienstagnacht in Meersburg 82-jährig gestorben. Seine Variationen über Beethovens Diabelli-Variationen sind übrigens am Samstag bei Happiness Machine zu hören,einem Projekt des Klangforums Wien im Wiener Konzerthaus. (Ljubisa Tosic, 24.10.2019)