Im Gastkommentar schlägt Roland Fürst, Co-Landesgeschäftsführer der SPÖ im Burgenland, vor, sich auf die drei Pfeile der Sozialdemokratie zu besinnen und den "dritten Weg" der Genossen Gerhard Schröder und Tony Blair, der die Sozialdemokratie in Europa in eine fundamentale Krise geführt hat, zu verlassen. Eine weitere Position zur Sozialdemokratie nehmen die Politikwissenschafter Felix Butzlaff und Margaret Haderer ein. Und für PR-Berater Wolfgang Rosam ist "Morgengrün statt Abendrot" eine echte Vision.

Wofür steht die SPÖ? Die drei Pfeile der Sozialdemokratie bieten Anhaltspunkte.
Foto: Robert Newald

Es gibt unterschiedliche Wege, wie die Sozialdemokratie ihre politische Krise bewältigen kann. Ob die Zukunft der 130 Jahre alten Partei in sogenannten Zukunftslaboren zu finden ist, bleibt abzuwarten. Für viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten genügt mitunter ein Blick in die Geschichte und die Transformation von sozialdemokratischen Werten in das 21. Jahrhundert, um wieder eine relevantere politische Kraft in Österreich und Europa zu werden, denn sie sind aktueller denn je.

Kampf gegen die Reaktion

Die drei Pfeile der Sozialdemokratie symbolisieren den Kampf der sozialdemokratischen Arbeiterinnen und Arbeiter gegen Faschismus, Klerikalismus und Kapitalismus beziehungsweise gegen das Reaktionäre im Allgemeinen.

· Faschismus In Zeiten, in denen rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien in Europa wieder an politischer Bedeutung gewinnen, gilt es gegen das menschenverachtende Narrativ des Faschismus aufzutreten. Merkmale des Faschismus sind zum Beispiel, demokratische Strukturen nicht zu akzeptieren, gemeinsame Feindbilder zu schaffen oder der Kampf gegen die Meinungsfreiheit.

Hier politisch entsprechend gegenzusteuern wäre wohl eine lohnende Aufgabe. Um aber glaubwürdiger zu werden, ist die Differenzierung vonseiten der Sozialdemokratie nötig, nicht jeder politisch Andersdenkende ist ein Faschist oder Nazi. Eine Skandalisierung immunisiert die wirklichen Kräfte des Faschismus, und die Menschen tun sich schwer bei der Einschätzung, was eine faschistische Ideologie und was eine rechte oder konservative ist.

· Klerikalismus Die Sozialdemokratie könnte aber auch ihr Profil als Garant für die Trennung von Kirche und Staat nachschärfen, denn ihre Kritik dahingehend ist abgestumpft. Beim Klerikalismus geht es um den Einfluss von Religionen auf das öffentliche gesellschaftliche Leben. Auch wenn der historische Bezugspunkt die katholische Kirche war, müssen nun alle Religionen in die Kritik miteinbezogen werden.

Die katholische Kirche hat sich durch Missbrauchsskandale und die Verweigerung der Erneuerung fast selbst aus dem Spiel genommen, übt aber dennoch einen mächtigen Einfluss auf verschiedene gesellschaftliche Fragen aus. Zum Beispiel die Haltung und Agitation beim Thema Schwangerschaftsabbruch.

Falsche Toleranz

Mit dem politischen Islam versucht eine rückwärtsgewandte Ideologie ganz subtil invasiv die Gesellschaft auch in Österreich zu verändern, die SPÖ ist auf diesem Auge fast blind. Unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit wird die Diskriminierung der Frau plötzlich toleriert und Probleme mit dem politischen Islam werden verharmlost.

Hier wäre es ein Leichtes, die Glaubwürdigkeit durch ein Bekenntnis zur Trennung von Kirche und Staat wiederherzustellen, indem man auch politisch klare Signale setzt oder mitträgt. Für viele ist völlig unverständlich, warum die SPÖ beim Antrag der Liste Pilz im September für die Auflösung von Millî Görüs und Atib nicht mitgestimmt hat.

· Kapitalismus Der dritte Pfeil symbolisiert den so wichtigen Kampf gegen den globalen Turbokapitalismus, gegen das Auseinanderdriften von Arm und Reich, sowie das Eintreten für ein gerechtes Steuersystem, auch in einem so reichen Land wie Österreich. Hier geht es um die gerechte Verteilung des Reichtums genauso wie um die Bekämpfung von Armut – die Sozialdemokratie hat die Würde des Menschen zu schützen.

Abkehr vom "dritten Weg"

Die Sozialdemokratie hätte breite Betätigungsfelder und Ansätze, die aber mit einer schonungslosen Selbstkritik verbunden sein müssten, denn leider hat sich die Sozialdemokratie vom Neo- und Turbokapitalismus verführen lassen. Ein deutliches Zeichen wäre die Abkehr vom "dritten Weg" à la Gerhard Schröder und Tony Blair, der den Niedergang der Sozialdemokratie in Europa eingeleitet hat. Die burgenländische SPÖ demonstriert aktuell, wie dieser "dritte Weg" durch die Einführung eines Mindestlohns von 1700 Euro netto und den Zukunftsplan Pflege beendet werden kann.

Die Sozialdemokratie als progressive Bewegung richtet sich gegen die Reaktion, gegen politische und gesellschaftliche Verhältnisse, die schon lange überwunden wurden. Gegen den Rückschritt zu sein bedeutet, für das Bedingungslose einzutreten, die Früchte der Revolutionen und des Kampfes der Sozialdemokratie gegen die Bourgeoisie zu verteidigen. Die Sozialdemokratie steht für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit. Übersetzt bedeutet das, für die maximale Freiheit des Individuums durch freien Zugang zu Bildung, Gesundheit, Kultur und so weiter. Die Gleichheit der Menschen untereinander, natürlich auch die Gleichheit von Mann und Frau und das Akzeptieren von Gleichgeschlechtlichkeit. Alle politischen Gruppierungen und Ideologien, die sich damit schwertun, müssen von der Sozialdemokratie konsequent politisch bekämpft werden. Also genügend politisch historisch gewachsene Substanz, die lediglich an die politischen Phänomene der Neuzeit angepasst werden müsste.

Die erfolgreiche Zukunft der Sozialdemokratie liegt in der Besinnung auf sozialdemokratische Werte und eben in der Vergangenheit. (Roland Fürst, 26.10.2019)