Die Klimakrise wird die Arbeitswelt der Zukunft umkrempeln. Ganze Branchen und Industriezweige könnten sich grundlegend verändern. Sind die Gesellschaft und der Arbeitsmarkt darauf vorbereitet? Welche Weichen in Richtung grüne Jobs und nachhaltige Zukunftstechnologien müsste man jetzt stellen, welche Chancen könnten sich dadurch ergeben? AMS-Chef Johannes Kopf ist überzeugt, dass das Thema Klima und Umwelt die Arbeitsmarktverwaltungen in Zukunft massiv beschäftigen wird.

STANDARD: Wir stehen am Beginn einer Klimakrise, von der lediglich unklar ist, wie heftig sie ausfallen wird. Doch Wirtschaftswachstum und Klimaschutz müssten Hand in Hand gehen, hört man allenthalben. Wie sehen Sie die Debatte als Arbeitsmarktexperte?

Kopf: Wenn die Politik versucht, die Klimakatastrophe aufzuhalten, dann werden massive legistische Veränderungen nötig sein. Es wird Branchen geben, die das, was sie bisher tun, so nicht mehr tun werden dürfen. Und es wird andere Bereiche geben, die massiv gefördert werden. Natürlich wird das massive Auswirkungen auf Jobs haben – auf Jobs von Leuten in diesen und in anderen Branchen. Da werden Arbeitsmarktverwaltungen eine sehr wichtige Rolle spielen: Denn es geht um Umqualifizierung und um das Auffangen von Personen, die ihren Job verlieren.

Im Podcast spricht Johannes Kopf auch über die Folgen, die die Klimakrise schon jetzt auf einzelne Branchen hat, über die Folgen der Digitalisierung auf die Arbeit – und den umstrittenen Algorithmus des AMS.

STANDARD: Lässt sich absehen, welche Branchen wie sehr von der Klimakrise betroffen sein werden?

Kopf: Nehmen wir einmal an, es würde jemand auf die Idee kommen, Inlandsflüge zu verbieten. Das hätte massive Effekte – etwa auf die Eisenbahn, aber natürlich auch auf den Flugverkehr und die dort Beschäftigten.

STANDARD: Wird das arbeitsmarktpolitische Potenzial grüner Jobs in Österreich erkannt? Müsste man nicht längst zahllose neue Jobs auf Schiene bringen und Leute dafür ausbilden?

Kopf: Durch die Veränderungen entstehen natürlich neue Jobs – ich denke etwa an Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanager oder möglicherweise sogar Biotechnologen, die spezifisch im Klimabereich arbeiten. Das ist wichtig, da muss man Ausbildungen anbieten. Aber viel relevanter sind die Auswirkungen auf die bestehenden Jobs, denn das sind viel mehr. Nehmen Sie den Maurer, der künftig Expertise zu Wärmebrücken braucht, das Thema Erdwärme bei Installateuren und so weiter. Der Kfz-Bereich wird sich völlig verändern. Wie viele Werkstätten werden wir in Hinblick auf E-Mobilität brauchen? Es geht um eine Reihe neuer Skills, die in bestehenden Jobs nötig sein werden. Die ganz große Frage in Bezug auf die Klimakrise wird sein: Wie qualifizieren wir bereits Beschäftigte für die neuen Herausforderungen? In Bezug auf die Klimakrise braucht es radikale Reformen – und die haben radikale Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.

STANDARD: Wir wissen, dass Nichthandeln in Sachen Klimakrise deutlich teurer wird, als wenn wir jetzt die nötigen Schritte für den Wandel setzen – etwa im Bereich des öffentlichen Verkehrs oder bei erneuerbaren Energien. Welches Arbeitsmarktpotenzial steckt aus Ihrer Sicht in einer Transformation zur treibhausarmen Gesellschaft?

Kopf: Ich habe nicht die Sorge, dass in Summe dadurch viele Jobs verloren gehen und deswegen weniger Menschen Arbeit haben. Meine Sorge besteht darin, dass die neuen Jobs ja von denen gemacht werden müssten, die den Job vorher verloren haben. Dieses Thema stellt sich bei der Klimakrise massiv. Es geht aber auch um die Frage, wer in diesen neuen Branchen Vorreiter sein wird im internationalen Wettbewerb. Wo entstehen die Jobs in den neuen Technologien?

STANDARD: Wie sehen Sie da Österreichs Chancen?

Kopf: Ich glaube, wir haben gute Voraussetzungen als gut qualifiziertes Land. Aber sicher ist es nicht, wo die Solarzellen gebaut werden, wo die Energietechnik für smarte Netze programmiert wird. Da geht es um Investments im Spitzenbereich.

STANDARD: Österreich ist weiterhin beim Klimaschutz zögerlich und hat es 2018 bekanntlich nicht geschafft, einen nationalen Klimaplan vorzulegen, der den Anforderungen der EU genügen würde. Warum mutet man den Menschen nicht die Wahrheit zu, dass sich viel ändern müssen wird?

Kopf: Es ist ein bisschen so, wie wenn der Arzt zum Patienten sagt: Sie müssen jetzt wirklich etwas tun, sonst sterben sie in zehn Jahren an einem Herzinfarkt! Da gibt es auch Menschen, die gehen dann halt dreimal laufen und leben sonst weiter wie davor. Diese Gefahr besteht auch bei diesem Thema. Es ist ja nicht so, dass die Warnungen vor der Klimakrise erst heuer begonnen haben. Es ist schon lange klar, dass wir so, wie wir mit unserem Planeten umgehen, nicht weitermachen können. Die Frage wird letztlich sein, wer sich politisch durchsetzt: Die Stimme der Straße, gemeinsam mit verantwortungsvollen Politikern, die sagen: Jetzt ist die historische Stunde, wo man etwas ändern muss. Wenn es solche Politiker in entscheidungsrelevanten Funktionen gibt, wird es radikale legistische Schritte geben. Es reicht nicht, dass wir uns alle ein bisschen bemühen, mehr Bahn fahren und weniger Auto.

Es wird Verbote geben, es werden ganze Geschäftszweige nicht mehr produzieren dürfen, oder nur mehr mit extrem strengen Auflagen, die umweltschädigendes Verhalten extrem teuer machen. Wahrscheinlich sind Millionen Jobs vom Abbau betroffen, die man so nicht mehr braucht. Diese Transformation zu schaffen wird hart. Und es wird unglaubliche Proteste der Gegner der Klimawende geben. Das sieht man ja jetzt schon. Es ist auch irgendwie verständlich, denn da stehen Menschen mit Familien dahinter, etwa in der Kfz-Industrie. Das wird ein Konflikt. Aber um die Umwelt zu retten, brauchen wir Konflikte. Und damit die Transformation zur treibhausärmeren Gesellschaft smooth geht, dafür braucht es unter anderem sehr starke Arbeitsmarktverwaltungen. (Lisa Mayr, 25.10.2019)

Grüne Jobs in Sicht? Die Klimakrise und die Digitalisierung verändern viele Berufe grundlegend. Doch noch herrscht business as usual.
Foto: Getty Images/iStockphoto

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