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Katharina Liensberger beschäftigt den ÖSV fast mehr als der Auftakt zum Weltcup.

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Das Leben schreibt manchmal groteske Geschichten. So auch im Fall Katharina Liensberger. Die Vorarlbergerin hätte nach Intervention des Skiverbands (ÖSV) praktisch am letzten Drücker noch die Starterlaubnis für den Weltcupauftakt am Samstag (10, 13 Uhr, ORF 1) in Sölden erwirken können. Die Causa schien geklärt, doch die im Sommer überhastet von Rossignol zu Kästle gewechselte 22-Jährige, verabsäumte es, mit der Rückkehr zum französischen Ausrüster die einzig verbliebene Chance auf einen Start im Riesentorlauf wahrzunehmen. Durch ihren Wechsel zu dem Vorarlberger Ausrüster steht sie ohne Schuhe da.

In der Sackgasse

Reinhold Zitz, der Geschäftsführer im ÖSV-Ski-Pool, verweist im Gespräch mit dem STANDARD darauf, dass Liensberger und Kästle die Materialfrage rechtzeitig hätte abklären müssen. "Wir haben seit Monaten Lösungen gesucht, die Verhandlungen haben sich aber im Kreis gedreht, wir steckten in einer Sackgasse." Als Konsequenz wurde die Vierjahresvereinbarung mit Kästle per 30. April 2021 gekündigt. "Um klare Verhältnisse und eine neue Ausgangsposition zu schaffen. Wir haben seit 30 Jahren keinen Vertrag mit einer Skifirma gekündigt, so etwas habe ich noch nicht erlebt", sagt Zitz.

Liensberger hatte, ohne ihren Ausrüster zu informieren, Kästle-Skier getestet und ließ den Vertrag mit Rossignol ohne Gespräch auslaufen. Als dann die Mutter der Technikerin im Mai mit den Franzosen verhandelte, um für ihre Tochter zu erwirken, dass sie weiter den zu Rossignol gehörenden Lange-Schuh verwenden darf, legten sich die Franzosen, immerhin langjährige Unterstützer der Vorarlbergerin auf dem Weg in die Weltspitze und mittlerweile sauer, quer.

Sorge ums Know-How

Trotz negativer Gespräche mit Rossignol, und ohne sich um einen neuen Schuhausrüster bemüht zu haben, unterschrieb Liensberger einen Vertrag mit Kästle. Doch ihre Rechnung, den Lange-Schuh dennoch verwenden zu dürfen, ging nicht auf. Die aktuell nicht einmal für den ÖSV erreichbare Vorarlbergerin wolle dem Vernehmen nach keinen Zweijahresvertag mit Rossignol unterzeichnen. Für die Franzosen kommt aber eine kürzere Vertragsdauer nicht infrage.

"Die Entscheidung liegt bei ihr. Es wird nicht verhandelt, wir können auch ohne Liensberger leben", sagte Rennservice-Direktor Stephane Mougin. Liensberger will aber offenbar höchstens für die kommende Saison unterschreiben. "Das kommt nicht infrage. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich ihr Skier gebe, und in fünf Monaten ist sie wieder weg", sagte Mougin, der in Sorge um das Know-how ist.

Für die Verantwortlichen im ÖSV geht es vor allem auch darum, einen folgenschweren Präzedenzfall zu vermeiden, zumal über den Ski-Pool mehr als 380 Athleten und alle Trainer mit rennsporttauglichem Material ausgerüstet werden.

Aus dem Ruder

Der Verband hatte mit Edi Unterberger extra den früheren Service-Mann von Marcel Hirscher nach Sölden beordert, um Liensberger in Materialfragen zu unterstützen, doch die Technikerin kam nicht ins Ötztal.

Wegen der Verletzung der Ski-Pool-Regeln durfte sie zuletzt nicht mit dem Team trainieren. Nun hat Liensberger, die im Jänner als Dritte im Nachtslalom von Flachau ihren bisher einzigen Weltcup-Podestplatz geholt hatte, bis 15. November Zeit, einen gültigen Vertrag vorzuweisen, um in Levi starten zu können. Der ÖSV hat in den letzten zwei Wochen – in denen Liensberger wieder auf Rossignol trainiert hatte – zu vermitteln versucht, letztlich vergebens. Sportdirektor Toni Giger hofft auf eine baldige Klärung der Misere. "Sie ist eine Topläuferin, wir haben deshalb überdurchschnittlich in sie investiert. Sie hat eine große Zukunft."

Der Riesentorlauf am Samstag geht nach ihrem dritten Kreuzbandriss in 17 Monaten auch ohne Österreichs Nummer eins, Stephanie Brunner, und ohne die nicht bereite Anna Veith in Szene. Größte Hoffnungsträger sind Ricarda Haaser, Zehnte der RTL-Wertung 2019, und Eva-Maria Brem, die vergangene Saison mit den Plätzen sechs (Spindlermühle) und sieben (Soldeu) abschloss. (Thomas Hirner aus Sölden, 25.10.2019)