Am Halbjahrestag der Anschläge gedenkt in Colombo eine Christin den Anschlägen in

Foto: AFP/ISHARA S. KODIKARA

Sechs Monate ist es her, dass eine Serie von Explosionen Sri Lanka erschütterte. Die Anschläge vom Ostersonntag forderten fast 300 Tote und mehr als 500 Verletzte. Nur langsam erholt sich der Inselstaat an Indiens Südspitze. Der Tourismus des so beliebten Reiseziels liegt weiter darnieder. Die bis dahin weitgehend unbekannte islamistische Terrorgruppe National Thowheeth Jama’ath steckte hinter den Anschlägen und agierte offensichtlich mit Unterstützung des internationalen Terrorismus. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) reklamierte eine Beteiligung.

Der neue, islamistische Terror schien für viele in Sri Lanka aus dem Nichts zu kommen. Dabei hätte das Blutbad womöglich verhindert werden können. Geheimdienste warnten schon zwei Monate zuvor. Diese Woche veröffentlichte das singhalesische Parlament einen Bericht, der die Hauptschuld für das Versagen bei Geheimdienstchef Nilantha Jayawardena sieht.

Noch drei Tage vor den Anschlägen habe der indische Geheimdienst die Behörden auf Sri Lanka gewarnt, sagt Asif Ibrahim, Sonderbeauftragter für Terrorismusbekämpfung des indischen Premiers, zum STANDARD. Details darf er nicht mitteilen, aber: "Offenkundig gab es Leute bei uns in Indien, die mit denen in Sri Lanka in Verbindung standen."

Der Ex-Chef des indischen Geheimdienstes ist mit der Lage des Terrorismus auf dem Subkontinent vertraut wie nur Wenige. Er hielt die Position als erster Muslim im mehrheitlich hinduistischen Land. Rund 14 Prozent der Inder sind Muslime; diese 200 Millionen Menschen stellen nach Indonesien weltweit die zweitgrößte muslimische Bevölkerung.

IS in Indien: "Umfassend gescheitert"

Die Versuche von Al-Kaida und IS, in Indien Fuß zu fassen, bezeichnet das South Asia Terrorism Portal (SATP) als "umfassend gescheitert". Durch Terror verursachte Todeszahlen gehen dort seit Jahren zurück. 2018 gab es laut SATP in ganz Indien nur eine islamistische Terrorattacke außerhalb der Unruheregion Kaschmir. "Muslime sind im Rest des Landes kaum dem Jihad gefolgt", analysiert auch Ibrahim. Der Klerus spiele dabei eine wichtige Rolle: "Die meisten Fatwas gegen den Jihad wurden in Indien verhängt."

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Asif Ibrahim war Chef des indischen Geheimdienstes.
Foto: Reuters/Samson

Sorge kam erst auf, als der IS auftauchte, sagt Ibrahim. Um die 200 Inder hätten sich dem IS in Syrien, Irak und Afghanistan angeschlossen. Laut SATP "mikroskopische Zahlen im Vergleich zu der riesigen muslimischen Bevölkerung". 60 Prozent kamen laut Ibrahim aus der indischen Diaspora im Nahen Osten, der Rest aus der Küstenregion südlich von Mumbai, aus Kerala und Karnataka.

Den Grund dafür sieht Ibrahim in den historischen Handelsbeziehungen mit Saudi-Arabien. Über diesen Seeweg habe die Terror-Ideologie dort stärker Fuß fassen können als im Norden. Und über diese Route gab es anscheinend auch Beziehungen nach Sri Lanka – die Warnungen blieben verheerenderweise ergebnislos.

Verdächtig durch One-Way-Tickets

Dabei sieht Ibrahim den Schlüssel zum Erfolg im Kampf gegen Terrorismus in der internationalen Kooperation. Mit Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten arbeite Indien gut zusammen. Auch Turkish Airlines informiert den Geheimdienst, wenn Leute aus Indien mit einem One-Way-Ticket reisen.

In einem Fall, erzählt er, wurde so ein Reisender beim Zoll aufgehalten, in seinem Koffer befanden sich etliche religiöse Bücher über das Leben nach dem Tod. Der Geheimdienst kontaktierte dann die Familie und lokale Moscheen. "So konnten wir 40 bis 50 Leute aufhalten, nach Syrien zu gehen."

Oft arbeiten lokalen Gruppierungen mit dem internationalen Terrorismus zusammen. Hier seien ebenfalls die Geheimdienste gefragt: "Es braucht die Absicht, dann aber auch die Fähigkeit, etwas zu tun", sagt Ibrahim. In der Terrorismusbekämpfung gelte es, Letzteres nicht zuzulassen. (Anna Sawerthal 27.10.2019)