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Die USA wollen verhindern, dass Ölfelder im Nordosten Syriens in die Hände der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" fallen.

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Die Türkei fordert seine Auslieferung: Mazloum Kobanê.

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Ölfeld in Al-Qahtaniyah in der Provinz Hasakeh nahe der syrisch-türkischen Grenze.

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In der Nacht auf Freitag rückten Einheiten der syrischen Armee in die Kurdenstadt Kobanê ein.

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Russische Militärpolizei in Darbasiyah an der Grenze zur Türkei.

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Russischer Il-76-Transporter im Anflug auf Qamishli, 25. Oktober 2019.

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Washington/Ankara – Die USA wollen nach ihrem Rückzug mit verstärkter militärischer Präsenz nun zumindest die Ölfelder im Nordosten Syriens vor der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) schützen. Laut "Newsweek" plant das Pentagon die Entsendung von 30 Abrams-Kampfpanzern.

US-Verteidigungsminister Mark Esper erklärte am Donnerstag, die USA wollten mit mechanisierten Einheiten ihre Position in der Region verstärken. Damit solle verhindert werden, dass die Ölfelder wieder in die Hände des IS oder "anderer destabilisierender Akteure" fallen. Laut der britischen Zeitung "The Guardian" sollen die US-Truppen auf dem Gasfeld in der Nähe der syrischen Stadt Deir Ezzor stationiert werden, das früher vom US-Konzern Conoco betrieben wurde.

Das Conoco-Gasfeld bei Deir Ezzor.

Beim Kampf gegen die IS-Jihadisten sei die Einnahme der Ölfelder im Osten Syriens einer der größten Erfolge gewesen, sagte ein Pentagon-Vertreter. Es müsse sichergestellt werden, dass der "Islamische Staat" auch künftig keinen Zugang zu dem Öl als Finanzierungsquelle für seine Aktivitäten gewinne. Nähere Angaben zu dem militärischen Engagement der USA machte der Pentagon-Vertreter nicht. Die Nachrichtensender Fox News und CNN berichten, dass demnächst gepanzerte US-Einheiten nach Syrien verlegt werden sollen.

"Kleine Zahl von Soldaten" soll bleiben

Die USA hatten erst kürzlich Truppen aus Nordsyrien abgezogen. Damit ermöglichten sie eine türkische Militäroffensive gegen die Kurdenmiliz YPG in der Region. US-Präsident Donald Trump sagte dann am Mittwoch, eine "kleine Zahl von Soldaten" werde in der Region bleiben, um die Ölfelder zu schützen.

Das US-Militär bereitet laut dem einflussreichen Senator Lindsey Graham einen Gesamtplan für Syrien vor, der verhindern soll, dass der IS dort wieder Fuß fasse, sagte der Republikaner am Donnerstag nach einem Gespräch mit den Stabschefs im Weißen Haus.

Russland äußert Besorgnis

"Wir möchten keine neuen Schwierigkeiten", sagte der Vize-Außenminister Sergej Rjabkow am Freitag. Es löse eine gewisse Besorgnis aus, dass aus den USA in Hinblick auf Syrien immer wieder unterschiedliche Signale kämen. Moskau sei alarmiert, dass dahinter der Versuch stehen könne, weiter Druck auf die "rechtmäßige Führung in Damaskus" auszuüben.

300 russische Militärpolizisten in Syrien

Unterdessen begannen russische Soldaten ihre Patrouillen im türkisch-syrischen Grenzgebiet, wie sie der türkische Präsident Tayyip Erdoğan bei einem Treffen mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin in Sotschi beschlossen hatte. Russland hat dafür rund 300 Militärpolizisten aus seiner Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus nach Syrien verlegt. Die Einheiten sollen dabei helfen, die bewaffneten Kurden rund 30 Kilometer von der Grenze zur Türkei ins Landesinnere Syriens zurückzudrängen. Das teilte das russische Verteidigungsministerium der Agentur Interfax zufolge am Freitag in Moskau mit.

Zudem würden mehr als 20 Panzerfahrzeuge aus dem Süden Russlands nach Syrien verlegt. Die russischen Militärpatrouillen hätten die Aufgabe, die Sicherheit der Bevölkerung im Norden Syriens zu gewährleisten und für Ordnung zu sorgen, teilte das Ministerium weiter mit. Es handle sich um für Spezialeinsätze ausgebildete Truppen aus dem Nordkaukasus.

Die Türkei hatte ihre Offensive gegen die kurdische YPG am 9. Oktober gestartet. Die YPG-Miliz stellt die Mehrheit der Kämpfer der SDF, die gegen die IS-Jihadistenmiliz gekämpft hatte. Die Türkei betrachtet die YPG-Miliz aber als Bedrohung, da sie eng mit den Rebellen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der Türkei verbunden ist.

Türkisch-russische Patrouillen nur temporär

Der Uno-Sonderbeauftragte für Syrien sieht die türkisch-syrischen Patrouillen in der nordsyrischen Grenzregion übrigens nur als temporäre Lösung. Die gemeinsamen Patrouillen sollten "vorübergehend sein", sagte Geir Pedersen am Donnerstag der Schweizer Nachrichtenagentur SDA. Darüber gebe es "keine Meinungsverschiedenheiten".

Er hoffe, dass der von Russland und der Türkei ausgehandelte Waffenstillstand halten werde: "Das ist das Wichtigste."

Mit Blick auf die erste Sitzung des neu gebildeten Verfassungskomitees für das Bürgerkriegsland Syrien in der kommenden Woche in Genf zeigte sich Pedersen zudem optimistisch. Nach langen Verhandlungen war es ihm gelungen, das Verfassungskomitee für den 30. Oktober in Genf einzuberufen. Er bezeichnete die Sitzung als eine "historische Gelegenheit".

Ziel ist eine neue syrische Verfassung

Der Ausschuss soll eine neue syrische Verfassung ausarbeiten sowie den Weg für Wahlen in dem Bürgerkriegsland ebnen. Das Komitee besteht aus 50 Vertretern der Regierung, 50 Vertretern der Opposition sowie 50 Vertretern der syrischen Zivilgesellschaft, die von der Uno ausgewählt wurden. Ein 45-köpfiger Ausschuss soll eine neue Verfassung vorbereiten.

Dem Verfassungskomitee gehören zwar etliche Kurden an, nicht aber Vertreter der kurdischen Selbstverwaltung in Nordsyrien. Unter dem Druck der Türkei waren die SDF von den Verhandlungen ausgeschlossen worden. Syrische Kurden protestierten Anfang Oktober gegen den Ausschluss.

Nach jahrelangem Streit zwischen Regierung und Opposition in Syrien hatte Uno-Generalsekretär António Guterres vor knapp einem Monat die Bildung des Verfassungskomitees verkündet. Sie war im Jänner 2018 auf Initiative Russlands beschlossen worden. Um die Zusammensetzung war erbittert gerungen worden.

Friedensgespräche stecken seit Jahren fest

Die Syrien-Friedensgespräche unter Vermittlung der Vereinten Nationen in Genf stecken seit Jahren fest. Die Ausarbeitung einer neuen Verfassung gilt als wichtiger Schritt zu einer politischen Lösung des Konflikts, dem seit März 2011 mehr als 370.000 Menschen zum Opfer gefallen sind.

Ankara fordert Auslieferung des SDF-Kommandanten

Am Donnerstag forderte Erdoğan von den USA eine Auslieferung von SDF-Kommandant Mazlum Kobanê. Dieser sei ein "Terrorist", sagte der Präsident dem staatlichen türkischen Sender TRT. "Amerika muss diesen Mann übergeben."

Trump hatte zuvor auf Twitter erklärt, ein Telefonat mit Kobanê geführt und das Gespräch "wirklich genossen" zu haben. "Er schätzt, was wir getan haben, und ich schätze, was die Kurden getan haben." US-Senatoren riefen zudem diese Woche das US-Außenministerium auf, Kobanê schnell ein Visum auszustellen, damit er in die USA reisen und mit Regierungsvertretern über die Lage in Syrien beraten könne. Wenn Trump auf den Wunsch der Türkei eingeht,. droht ihm allerdings dort die Festnahme.

Vorwürfe gegen die Türkei

Die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch (HRW) und Amnesty International (AI) werfen der Türkei vor, dutzende bis hunderte syrische Flüchtlinge in ihr kriegszerrissenes Heimatland abgeschoben zu haben. Die Menschen seien gegen ihren Willen und trotz fortdauernder Kampfhandlungen nach Nordsyrien deportiert worden, heißt es in einem am Freitag veröffentlichten HRW-Bericht.

Ende Juli habe der türkische Innenminister Süleyman Soylu verneint, dass Ankara Syrer deportiert habe und von freiwilliger Rückkehr in sichere Gebiete gesprochen, heißt es in dem Bericht weiter – HRW-Recherchen widersprächen dem direkt. Die Türkei habe rechtswidrig Syrer nach Idlib abgeschoben, "eines der gefährlichsten Gebiete in Syrien". In Idlib, letzte Rebellenhochburg im Bürgerkriegsland, gab es in den vergangenen Monaten immer wieder schwere Luftangriffe der syrischen Regierung und der mit ihr verbündeten russischen Streitkräfte.

In dem Amnesty-Report heißt es, die Organisation habe 20 Fälle von Abschiebungen überprüft. Nach Interviews zwischen Juli und Oktober 2019 schätzten die Autoren, dass "die Zahl der in den vergangenen Monaten Abgeschobenen in die Hunderte" gehe. Flüchtlinge hätten angegeben, dass sie von türkischen Polizeikräften geschlagen und bedroht worden seien. Sie seien gezwungen worden, Dokumente zu unterschreiben, die belegen sollten, dass sie selbst ihre Rückkehr nach Syrien gefordert hätten.

Deutsche Syrien-Diskussion

Der deutsche Außenminister Heiko Maas äußerte sich erneut skeptisch über den Plan von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) für eine internationale Schutztruppe in Nordsyrien. "Ehrlich gesagt, außerhalb von Deutschland diskutiert im Moment kein Mensch über eine Schutzzone", sagte der SPD-Politiker am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". Entscheidend sei, ob Deutschland internationale Partner für eine solche Mission finde – und "bislang hat noch keiner der Angefragten gesagt, er würde sich beteiligen".

Angesichts der dringend nötigen Hilfe für die Menschen in Syrien und die vielen Flüchtlinge fehle momentan auch die Zeit für "eine solch theoretische Debatte" über eine Schutzzone oder ein größeres militärisches Engagement Deutschlands. Kramp-Karrenbauer hatte angesichts der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien die Einrichtung einer Sicherheitszone im Grenzgebiet zur Türkei vorgeschlagen, die von einer Uno-Truppe geschützt werden soll. Am Donnerstag stellte die CDU-Politikerin den Nato-Partnern ihren Plan vor, stieß aber auf eher verhaltene Reaktionen. (red, APA, 25.10.2019)