Moskau wirft den USA vor Öl unter scharfer Bewachung von US-Soldaten in Tanklastzügen ins Ausland zu schmuggeln.

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Tall Abyad/Akcakale – Das russische Verteidigungsministerium hat den US-Truppen Diebstahl von großen Mengen Öl aus Syrien vorgeworfen. Das Öl werde gefördert, abgefüllt und außer Landes gebracht, sagte Generalmajor Igor Konaschenkow am Samstag einer in Moskau vom Verteidigungsministerium veröffentlichen Mitteilung zufolge. Die Behörde veröffentlichte Satellitenfotos, die den Schmuggel syrischen Staatseigentums beweisen sollen. Russland fordert den kompletten Abzug der US-Truppen aus Syrien.

Damit widersprach Moskau der Darstellung von US-Verteidigungsminister Mark Esper, der am Donnerstag erklärt hatte, zusätzliche US-Truppen nach Syrien schicken zu wollen um Ölquellen in der ostsyrischen Provinz Deir ez-Zor (Essor) vor islamistischen Terroristen oder "anderen destabilisierenden Akteuren" zu schützen. Zu den "destabilisierenden Akteuren" zählt Washington nach US-Medienberichten auch die syrische Regierung.

Konaschenko: "staatliches Banditentum"

Ministersprecher Konaschenko warf den USA "staatliches Banditentum" vor. Die Ölquellen würden mit Waffengewalt besetzt. Aufnahmen der russischen Weltraumaufklärung würden belegen, wie das Öl unter scharfer Bewachung von US-Soldaten in Tanklastzügen ins Ausland gebracht werde. Im Einsatz seien zudem private Militärfirmen. Nach Berechnungen des russischen Verteidigungsministeriums machen die US-Strukturen mit dem illegalen Handel jeden Monat einen Gewinn von rund 30 Millionen US-Dollar. Es sei weder mit US-Recht noch mit internationalen Standards vereinbar, dem syrischen Volk seine Bodenschätze vorzuenthalten.

Die IS-Miliz hatte 2014 wichtige Ölfelder erobert und monatlich Millionen Euro mit dem Verkauf des Öls verdient, bevor die Ölanlagen durch die US-geführte Anti-IS-Koalition zerstört wurden. Im Oktober 2015 wurden viele der Ölfelder von den kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) erobert, die sie bis heute mit Unterstützung der US-Truppen kontrollieren. Die syrische Regierung fordert seit langem ihre Rückgabe.

Deutscher und türkischer Außenminister beraten über Waffenruhe

Die US-Pläne zur Sicherung der Ölfelder stießen auch in Deutschland auf Kritik. "Es geht um Rohstoffsicherung, nicht um Freiheit, Menschenrechte und Demokratie, wie so oft behauptet.", kritisierte die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) ist indessen am Samstag in Ankara mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu zu Gesprächen über Nordsyrien zusammengetroffen. Nach dem Treffen sprach Maas am Samstag von "erkennbar ernstzunehmenden Differenzen". Daher sei es nun wichtig, mit der Türkei und nicht nur über sie zu sprechen. Der Minister forderte, die von der Regierung in Ankara zugesagte Waffenruhe im Nordosten Syriens müsse eingehalten und verlängert werden. Ferner müsse humanitäre Hilfe für die betroffene Region gewährleistet werden.

Cavusoglu hält Kramp-Karrenbauers Idee für "unrealistisch"

Cavusoglu sagte auf der gemeinsamen Pressekonferenz, sein Land werde in Nordsyrien keine Menschenrechtsverletzungen tolerieren. Bezugnehmend auf die türkische Offensive kritisierte Cavusoglu Deutschlands mangelden Unterstützung. Obwohl die Bundesrepublik angebe, dass es die Sicherheitsbedenken der Türkei verstehe, stelle es sich auf die Seite der "Terroristen". Die Türkei erwarte von Deutschland, dass es im "Geiste der Allianz" mit der Türkei handle.

Den Vorschlag der deutschen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zur Schaffung einer UN-Sicherheitszone in Syrien nannte er "unrealistisch". Auch Maas sagte: "Überall wird uns gesagt, es sei nicht realistisch." Der Vorstoß von Kramp-Karrenbauer sorgt seit Tagen für Streit in der Koalition in Deutschland, da er nicht mit der SPD und Außenminister Maas abgestimmt war. Auch international stößt der Vorschlag auf Skepsis, zumal viele Details unklar sind. Auch innerhalb ihrer eigenen Partei Kramp-Karrenbauer kritisiert.

Abzug kurdischer Truppen läuft "nach Plan"

Beim Abzug der kurdischen YPG-Milizen aus dem türkisch-syrichen Grenzgebiet läuft aus Sicht des türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar alles "nach Plan". Das sagte dieser gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Samstag nach Gesprächen mit NATO-Verteidigungsministern in Brüssel.

Die Türkei hatte am Dienstag mit Russland, der Schutzmacht der syrischen Regierung, eine Einigung zur gemeinsamen Kontrolle von Grenzgebieten in Nordsyrien getroffen. Das Abkommen soll den YPG-Kämpfern die Gelegenheit zum Abzug geben. Der sollte nach 150 Stunden oder etwas mehr als sechs Tagen abgeschlossen sein. Akar zufolge wird das mit Russland ausgehandelte Waffenruhe-Abkommen am kommenden Dienstag um 18 Uhr Ortszeit (16 Uhr MEZ) auslaufen. "Bis dahin werden wir die Geschehnisse aus nächster Nähe beobachten. Wir werden die darauf folgende Situation abermals beurteilen und das Nötige tun", sagte er. Nach dem vollständigen Abzug sollen gemeinsame türkisch-russische Patrouillen im Gebiet beginnen.

Präsident Recep Tayyip Erdogan und türkische Minister hatten mehrfach gedroht, dass die Türkei ihre Militäroffensive wiederaufnehmen werde, sollten die Kurdenkämpfer die Gebiete nicht vollständig verlassen. Russland hatte die Kurden gewarnt, dass es dann zu direkten Kämpfen mit der Türkei kommen könne. Russische und syrischen Truppen, die in der Region stationiert wurden, um den Abzug zu kontrollieren, böten ihnen dann keinen Schutz. (APA, red, 26.10.2019)