Denn dieses "Trotzdem" zeugt eben von systematischen Hürden, die nur mit Glück und mit sehr engagierten Lehrern für Ausnahmetalente zu bewältigen waren.

Foto: Christian Fischer

Alle paar Jahre wird die OECD-Studie über die Chancen für sozialen Aufstieg veröffentlicht. Österreich schneidet hier im Vergleich immer schlechter ab: Bei uns ist es um die sogenannte soziale Mobilität besonders schlecht bestellt. Bildung und damit auch das Einkommensniveau werden in Österreich im hohem Maße "vererbt". Und die Chancen für einen sozialen Aufstieg sind in Österreich sogar noch gesunken, sagt der aktuelle Bericht.

Kinder von Arbeitern und anderen Nichtakademikern schaffen es bei uns nur schwer auf eine höhere Schule oder gar auf die Universität. Das gilt natürlich im besonderen Maße auch für Einwanderer und ihre Nachkommen. Die mangelnde Chancengleichheit trifft sie seit Jahrzehnten mit voller Härte. Österreich hat mit den Gastarbeitern gering qualifizierte Menschen ins Land gerufen und nichts dafür getan, damit ihren Nachkommen der Bildungsauftrag und somit eine gelungen Integration am Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft gelingt.

Gute Ratschläge

Jene Ratschläge, die die Forscher bei der Präsentation der aktuellen OECD-Studie Österreich erteilen, lassen erahnen, was alles in Sachen Integration in den letzten Jahrzehnten verabsäumt wurde. Drei wichtige Hebel gibt es, um die Chancen für den Bildungsaufstieg zu erhöhen. Da wäre zunächst der Ausbau der Betreuungsplätze für unter Dreijährige, dann das Aus für die Trennung der zehnjährigen Schüler in Gymnasiasten und andere, und schließlich mehr Hilfe für Brennpunktschulen.

Die von den Experten angesprochenen Maßnahmen rühren an einigen gesellschaftlichen Tabus. Wenn es um das Thema Kinderbetreuung geht, ist Österreich noch immer sehr konservativ. Betreuungsplätze für Kleinkinder werden schleppend ausgebaut, die Kleinsten bleiben zu Hause mit den Müttern, die später höchstens in Teilzeit arbeiten. Für die Gastarbeiterinnen der ersten Stunden – wir reden hier von den frühen 1970er-Jahren – hieß das entweder, keine Kinder zu bekommen, die Kinder im Heimatland zu lassen oder nicht zu arbeiten.

Geringe Chancen

Wenn die Kinder dieser ersten und zweiten Generation in Österreich eingeschult wurden, mangelte es vielen an Deutschkenntnissen, und ihren Eltern sowieso. Ihre Chancen, nach vier Jahren eine sogenannte "Empfehlung fürs Gymnasium" zu bekommen, waren und sind noch geringer als für die restlichen Arbeiterkinder. Die wenigsten Väter und Mütter hatten das nötigen Wissen und die Ressourcen, um sich für einen anderen Bildungsweg einzusetzen. Migrantenkinder waren und sind in Hauptschulen, Mittelschulen und Sonderschulen überrepräsentiert.

Diese Vergangenheit lässt sich nicht schönreden. Auch nicht durch die berühmten Ausnahmen, die es "trotzdem geschafft haben". Denn dieses "Trotzdem" zeugt eben von systematischen Hürden, die nur mit Glück und mit sehr engagierten Lehrern für Ausnahmetalente zu bewältigen waren.

Inzwischen gibt es das verpflichtende Kindergartenjahr und eine reformierte Mittelschule. Doch das reicht nicht, wie die Ergebnisse der OECD-Studie zeigen. Wenn Österreich die Talente und Fähigkeiten aller Kinder, und nicht nur jener der Bildungseliten, fördern und nutzen will, müssen Tabus gebrochen werden. Das heißt: eine Gesamtschule für alle Sechs- bis 14-Jährigen und mehr Geld und mehr Ressourcen für jene Schulen, die von Kindern aus einkommensschwachen Migrantenfamilien besucht werden. Diese Kinder sind unsere Zukunft, eine andere haben wir nicht. (Olivera Stajić, 29.10.2019)