Die Ausbildungspflicht bis 18 sollte eigentlich keinen jungen Menschen mehr im (aus)bildungspolitischen Nirgendwo stehen lassen, sondern zum Beispiel in überbetrieblichen Lehrwerkstätten eine berufliche Perspektive bieten.

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Türkis-Grün? Mit einer Prise Pink? Die rote Karte? Oder doch wieder mit Blau? Diese Serie liefert Erinnerungshilfen an die zukünftige Regierung zu Themen, die für die Zukunft wichtig sind. Gestartet wurde mit Bildung, Umwelt, Standort und Gleichstellung. Hier geht es weiter mit dem Thema "Abgehängte Junge":

Rund 63.900 Junge zwischen 15 und 24 Jahren sind nirgends: nicht in einer Ausbildung, nicht in einem Training, nicht in einem Job. "Neets" heißt die Gruppe im Kürzel des europäischen Fachjargons ("Not in employment, education or training"). Das entspricht fast sieben Prozent dieser Kohorte. In der EU-Statistik ist das gut, weil deutlich unter dem Durchschnitt von 11,6 Prozent.

Erweitert man diese Gruppe auf ein Alter von 15 bis 29 Jahren, dann liegt Österreich bei 8,4 Prozent (Daten des Sozialministeriums), verglichen mit 12,9 im EU-Durchschnitt. Auch wieder gut, statistisch betrachtet. Ebenso wie die Tatsache, dass Österreich mit seiner Jugendarbeitslosigkeit unter zehn Prozent auch gut dasteht im EU-Ranking.

Tatsächlich aber verbirgt sich hinter den rund 5.000 Jungen (Daten des IHS), die jährlich hinzukommen und die nach dem Pflichtschulabschluss nirgendwo ankommen, auch der Stoff für gesellschaftliche Tragödien.

Bittere Exklusionserfahrungen

Der Übergang von einer Ausbildung in den Arbeitsmarkt ist (und bleibt meistens auch) die Schlüsselphase in der Erwerbsbiografie. Was da nicht gelingt in puncto Einfädeln, wird danach nur noch schwieriger. Die Erfahrungen der Exklusion werden jedes Jahr bitterer, die Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben geringer.

Im Jahr 2016 war die ÖVP/SPÖ-Regierung übereingekommen, die sogenannte Ausbildungsgarantie für Junge bis 25 zu etablieren: Wer zwischen 15 und 24 länger als vier Monate arbeitslos ist, dem wird via Arbeitsmarktservice AMS ein Nachqualifizierungsangebot garantiert. Das sollte gemeinsam mit der 2017 gesetzlich gültig gemachten Ausbildungspflicht bis 18 möglichst keinen jungen Menschen mehr im Nirgendwo lassen.

Alle arbeitsmarktpolitischen Instrumente – von der aufsuchenden Betreuung im Jugendcoaching über überbetriebliche Lehrwerkstätten für alle, die keinen Lehrplatz in Unternehmen finden, bis zu einer breiten Palette an Nachqualifizierungsinstrumenten – sollten koordiniert zusammenwirken. Sogenannte "Fabas" (frühe Ausbildungsabbrecherinnen zwischen 15 und 17 Jahren), von denen 2016 (jüngste Zahlen der Statistik Austria) 22.615 gezählt wurden, sollte es gar nicht mehr geben.

Kritiker der vergangenen Regierungsperiode sagen hinter vorgehaltener Hand, dass die Ausbildungspflicht (es sind für Eltern, die da nicht mitmachen, sogar Geldstrafen vorgesehen) nicht wirklich exekutiert und die Ausbildungsgarantie nicht wirklich vollzogen wird.

Aktuelle Daten zur Entwicklung der vergangenen zehn Monate hat das Sozialministerium auf Anfrage nicht übermittelt. Wie und ob die Mittelkürzungen respektive Verschiebungen im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit tatsächlich eine "Zerstörungswut", wie der oberösterreichische Arbeiterkammerpräsident Johann Kalliauer sagt, zeigen, ist in Zahlen nicht aktuell belegt.

Aufschrei der überbetrieblichen Lehrwerkstätten

Dass weniger Geld aber auch weniger Ressourcen und weniger Wirksamkeit bedeuten, zeigte sich im Vorjahr etwa am lauten Aufschrei der Träger der überbetrieblichen Lehrwerkstätten (dort werden fast 10.000 Junge fit für den ersten Arbeitsmarkt gemacht) gemeinsam mit Bildungsexperten. Seit September 2018 bekommen über 18-Jährige, die dort in Ausbildung sind, statt 753 nur mehr 326 Euro monatliche Ausbildungsbeihilfe.

Worauf die Maßnahmen der Ausbildungsgarantie künftig zurückgreifen können, ist unklar, die Ausgangslagen der Länder sind zudem unterschiedlich. Aus den Bundesmitteln waren 2018 für die Ausbildungsgarantie 37 Millionen Euro zugeteilt, für die Ausbildungspflicht waren es 42,1 Millionen Euro.

Angesichts fortschreitender Digitalisierung, angesichts von Fachkräftemangel, demografischer Entwicklung (weniger Junge) und immer höheren Qualifizierungsanforderungen sollten die abgehängten Jungen in jedem Fall zentrales Thema der Politik der kommenden fünf Jahre sein. (Karin Bauer, 28.10.2019)