Facebook, Twitter und Co sollen in Deutschland künftig Postings, die potenziell eine schwere Straftat darstellen, an das Bundeskriminalamt weiterleiten müssen.

Foto: APA

Deutschland wurde in den letzten Jahren von mehreren rechtsextrem motivierten Attentaten erschüttert. 2015 wurde die damalige Bürgermeisterkandidatin Henriette Reker bei einer Wahlveranstaltung mit einem Messer attackiert. Im vergangenen Juni wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübke vor seinem Haus erschossen. Und Anfang Oktober erschoss ein Rechtsextremist zwei Menschen in Halle an der Saale, nachdem er zuvor erfolglos versucht hatte, in eine Synagoge einzudringen.

Letzterer Fall ließ auch die Debatte rund um Extremismus im Netz erneut aufflammen. Der Täter übertrug seine Taten live ins Netz und soll zudem auch auf der berühmt-berüchtigten Plattform 8Chan aktiv gewesen sein.

Rechtsextreme Bedrohung steigt

Das Phänomen zunehmender rechtsextremer Gewalt ist nicht nur ein deutsches. Sie nimmt in ganz Europa zu. Das legen Zahlen der europäischen Ermittlungsbehörde Europol nahe. Dort sieht man in einem Strategiebericht eine "beachtliche" Zunahme einschlägiger gewalttätiger Vorfälle in der Europäischen Union, wie deutsche Medien berichteten. Von 2016 bis 2018 stieg die Zahl der Inhaftierungen in Zusammenhang mit rechtem Terrorismus von 12 auf 44. Zudem würden rechtsextreme Gruppen zunehmend nach Bewaffnung streben.

Wenige Tage nachdem der Europol-Bericht über deutsche Medien publik wurde, veröffentlichte auch das deutsche Innenministerium neue Erkenntnisse. Es meldete einen Anstieg der konfiszierten Waffen bei Verdächtigen aus dem rechtsextremen Milieu um über 60 Prozent auf fast 1.100 Stück binnen eines Jahres.

Plattformen sollen problematische Postings melden

Die deutsche Regierung aus CDU/CSU und SPD wird nun mit einem Gesetzespaket reagieren. Dieses soll unter anderem Extremisten den Zugang zu Waffen erschweren, weil künftig bereits die Mitgliedschaft in einer einschlägigen Organisation ausreicht, um von einer Waffenlizenz ausgeschlossen zu werden.

Verschärft wird allerdings auch das Vorgehen gegen Hass im Netz. Bisher waren die Betreiber großer Dienste wie Youtube, Facebook oder Twitter dazu verpflichtet, gemeldete Hasspostings innerhalb von 24 Stunden zu prüfen und gegebenenfalls zu löschen.

Nun soll ihnen auch eine Meldepflicht auferlegt werden. Stoßen sie auf potenziell strafbare Inhalte, müssen diese an das Bundeskriminalamt weitergegeben werden, wo dafür eine neue Abteilung eingerichtet wird. Die neue Stelle stellt dann fest, ob das jeweilige Posting einen Straftatbestand erfüllt, und informiert seinerseits die zuständige Staatsanwaltschaft. Diese soll vom Plattformbetreiber schließlich auch Informationen über den jeweiligen Nutzer erhalten, um ihn ausforschen zu können.

Online-Beleidigungen werden schwerer gewichtet

Der Katalog an Verstößen, für die dieses Vorgehen angedacht ist, könnte erweitert werden und künftig auch strafbare Beleidigungen umfassen. Zu diesen sollen Behörden künftig tätig werden können, ohne dass Betroffene zuerst selbst zur Anzeige schreiten müssen.

Dazu soll explizit zwischen Offline- und Online-Beleidigungen unterschieden werden, wobei Letzteren aufgrund ihrer hohen Reichweite eine höhere Strafwürdigkeit eingeräumt werden soll. Damit erhofft man sich auch einen Rückgang der Drohungen und Verleumdungen, mit der sich speziell Lokalpolitiker oft konfrontiert sehen.

Ob die Online-Netzwerke auch Beleidigungen werden melden müssen, ist noch strittig. Das Justizministerium soll diesem Aspekt skeptisch gegenüberstehen. Zumindest in besonders schweren Einzelfällen sollen die Netzwerke aber auch bei Hassrede dazu verpflichtet werden können, Nutzerdaten herauszugeben, schreibt die "Süddeutsche Zeitung".

Lage in Österreich

In Österreich ist die Debatte um den politischen Umgang mit Hass im Netz vorerst zum Stillstand gekommen. Im Herbst 2018 kündigte die damals türkis-blaue Regierung an, mehr gegen Hass im Netz unternehmen zu wollen. Doch der dazu veranstaltete Gipfel wurde von vielen Beobachtern als Showeinlage gewertet, zumal einige Vertreter der Zivilgesellschaft, etwa des Antirassismus-Vereins Zara, gar nicht eingeladen worden waren.

Der nächste Vorstoß folgte Anfang 2019, als man Deanonymisierungspläne vorstellte. User größerer Foren und Plattformen sollten sich demnach mit ihrem realen Namen registrieren und ihre Angaben mit einer eigenen Software verifizieren müssen. Dafür gab es Kritik von Datenschützern, die einen Eingriff in die Privatsphäre und Meinungsfreiheit orteten und auch darauf verwiesen, dass Hasspostings ohnehin häufig unter Klarnamen verfasst würden.

Zu einem Beschluss kam es allerdings nicht, weil zwischenzeitlich die Koalition an der Ibiza-Affäre zerbrach. Im September beschlossen ÖVP und FPÖ wenige Tage vor der Wahl zwar noch gemeinsam ein umstrittenes Gewaltschutzpaket. Dieses enthielt allerdings keinerlei Regelungen zum Umgang mit Hass im Netz. (gpi, 29.10.2019)